Donnerstag, 12. Juli 2012

[Story] Ein neues Leben

Die Idee zu dieser Geschichte stammt aus meiner Zeit in Spanien, die mich darüber nachdenken ließ wie schwer es ist ohne Sprachkenntnisse oder Personen die man kennt in einer komplett fremden Umgebung zu sein und wie man gerade in so einer Zeit mit Taten mehr zeigen kann als mit Worten.


Als ich aufwachte, zitterte ich am ganzen Leib. Es dauerte etliche Minuten bis ich die Husten- und Würgkrämpfe überwunden hatte und wieder etwas von meiner Umgebung wahrnahm. Ich lag in durchnässten Klamotten an einem Strand. Kleidung, Haare und Haut waren mit einer Mischung aus Sand und Salz bedeckt. Der Strand war ausgestorben. Keine Menschenseele war zu sehen und der Himmel von einem tiefdunklen grau überzogen. Vor Kälte wie Espenlaub zitternd krümmte ich mich zusammen.
Nach ein paar Minuten –oder Stunden?- schaffte ich es meinen Körper in eine, erst sitzende, dann aufrechte Position zu zwingen und ging schwankend den Strand entlang. Unwissend wohin der Weg mich führte.
Ich weiß nicht wie lange ich ging.  Aber irgendwann brach die Sonne durch die Wolkendecke, trocknete und wärmte mich etwas. Durch die Bewegung scheuerte der Sand meine Haut zwar wund, fiel jedoch schnell von der Kleidung ab. Ich konnte langsam wieder klarer denken. Doch konnte ich das wirklich? Ich überlegte wie ich auf diesen Strand gekommen war, kam jedoch zu keiner Antwort. Ich wollte die Frage verschieben, doch wohin sollte ich nun gehen, was sollte ich tun? Plötzlich überkam mich blanke Panik, als mir klar wurde, dass ich gar nichts mehr wusste. Mir gar nichts geblieben war. Keine Familie, Freunde, Kollegen, Nachbarn oder ähnliches an die ich mich erinnerte. Wohin sollte ich gehen? Wie hieß ich überhaupt? Wie at war ich? Meine ganze Identität, mein ganzes sein schwand mit dem ausbleiben jeder Erinnerung ein kleines Stück mehr bis ich völlig allein in der Dunkelheit zurückblieb. Ich sank auf die Knie und begann hemmungslos zu weinen.
Ich weiß nicht mehr wie lange ich weinte, doch irgendwann spürte ich eine sanfte Berührung an der Schulter. Ich blickte auf und als ich durch den Tränenschleier wieder etwas erkennen konnte, sah ich eine alte Dame. Sie war ganz in schwarz und weiß gehüllt. Einzig ihr Gesicht mit der runzligen Stirn und den alles durchdringenden Augen war zu sehen.
Sie sagte etwas, was ich jedoch nicht verstand. Sie sah mich eine Weile nachdenklich an, bevor sie mit erstaunlich festem Griff meinen Oberarm ergriff und daran zog. Fast augenblicklich rappelte ich mich auf und folgte ihr.
Nach einer scheinbaren Ewigkeit erreichten wir ein kleines Dorf. Die Häuser waren rustikale kleine Einfamilienhäuser. Der Gestank von Kuhmist und Pferdeäpfeln überwältigend. Fast am Ende der – aus festgetretener Erde bestehenden – schmalen Straße stand eine kleine Kirche. Sie war unkrautüberwuchert. Die wenigen Glasscheiben, die Licht in das innere ließen, rissig.   
Die Nonne  schob mich geradewegs hinein, als ich zögernd am Eingang stehen blieb. Durch eine handvoll Kirchenbänke hindurch und durch eine weitere Tür am Ende des Raumes. Der nächste Raum hätte nicht spartanischer eingerichtet sein können. Neun Betten auf der einen Seite. Jeweils drei übereinander und nebeneinander. Sie drückte mich auf eines der Betten. Während ich mich weiter umsah verschwand sie kurz. Die andere Hälfte des Raumes war mit großen Schränken vollgestellt. Noch bevor ich anfangen konnte mich zu langweilen oder auch nur über meine Situation nachzudenken, war die Nonne bereits wieder zurück. Sie hatte eine Arm voll abgenutzter Kleidung, ein Handtuch und einen Eimer Wasser dabei. Erneut sagte sie etwas in dieser fremden Sprache und als ich nicht reagierte zeigte sie ungeduldig auf den angeschleppten Haufen. Zögerlich schälte ich mich aus meiner furchtbar klebenden Kleidung. Die Kälte des Wassers stand der im Raum in nichts nach und so wusch und trocknete ich mich so schnell ich konnte und zog mich an. Die Nonne zog mich ungeduldig hinter sich her. In einen noch kleineren Raum der vom Schlafraum abging und mir bisher nicht aufgefallen war. Gerade groß genug um darin zu kochen. Zusammen essen? Unmöglich.
Für ihr Alter erstaunlich flink, war sie während meines kurzen Gedankensprungs aufgetaucht. Diesmal mit Unmengen verschiedener Putzutensilien. Sie deutete auf sich. ,,Magdalen“ Dann sah sie mich fragend an. Traurig schüttelte ich den Kopf. Wie sollte ich ihr erklären, dass ich keinerlei Erinnerung hatte? Erneut deutete sie auf sich selbst. ,,Magdalen.“, und dann auf mich. Innerlich die Schultern zuckend deutete ich auf mich und sagte den ersten Namen der mir einfiel. ,,Ana“
Magdalen lächelte zufrieden, drückte mir einen Putzlappen in die Hand, machte eine weit ausholende Geste die die ganze Küche einschloss und verschwand.
Einen Moment stand ich unschlüssig da. Doch dann zuckte ich mit den Schultern. Auch wenn ohne Gedächtnis, war ich nicht dumm und wusste worauf es hinauslief. Arbeit gegen Unterkunft.
Ich ahnte zwar, dass putzen keine große Leidenschaft von mir war, aber bis ich mein Gedächtnis oder zumindest eine Alternative zu diesem Ort hatte, konnte ich ein Dach über dem Kopf gut brauchen. Schweigend begann ich zu putzen. 

Die nächsten Wochen vergingen rasch. Mein Gedächtnis kehrte nichtmal ansatzweise zurück und da sich Magdalen und die anderen Nonnen nur darum scherten, dass ich aß, schlief und arbitete, fühlte ich mich schon bald sehr einsam. Ich verstand ihre Sprache nicht und da keiner sie mir beibrachte verschwammen diese Worte zu einer einzigen unbedeutenden Masse, der ich nichts entnehmen konnte.
Als ich eines morgens aus der Haustür trat, sah ich einen jungen Mann mit dem Rücken zu mir in einem jungen Baum klettern. Der Ast auf dem ich stand gab bedrohlich nach. Doch ihn schien es nicht zu ängstigen. In seinen Anblick versunken beobachtete ich wie er in rasantem Tempo die Äpfel des Baumes pflügte und in einen großen Korb auf seinem Rücken warf. Als der Korb beinah voll war kletterte er vorsichtig ein Stück hinunter. Dabei drehte er sich um und sein Blick fiel auf mich. Erschrocken verfehlte er einen Ast und stürzte zu Boden. Ich rannte zu ihm und kam gerade an, als er sich langsam stöhnend aufsetzte. ,,Hast du dir etwas getan?“, keuchte ich einen Moment vergessend das mich hier keiner verstand. Einen Moment sah er mir direkt in die Augen. Sein Blick fesselte mich. Seine Augen hatten das dunkelste Blau das ich je gesehen hatte. Einen Moment schien die Zeit still zu stehen, dann überzog ein breites Grinsen sein Gesicht. Er schüttelte stumm den Kopf. Verstand er mich? ,,Verstehst du mich?“, fragte ich aufgeregt. Doch als er mich wie ein großes Fragezeichen ansah begriff ich, dass er wohl erraten hatte, nicht aber wirklich verstanden hatte, was ich gefragt hatte. Traurig ließ ich die Schultern hängen und spürte wie meine Augen feucht wurden. Der kurze Moment in dem ich geglaubt hatte, dass mich jemand versteht, ließ alle Sehnsucht in mir hervorbrechen. An Erinnerungen, Freunde, Familie, Kontakte. An einen Ort zu dem ich gehöre.
Bevor ich wusste wie mir geschah, hatte er sich aufgerappelt und mich fest in seine Arme gezogen. Obwohl ich die Worte nicht verstand die er mir leise ins Ohr murmelte, übten sie doch eine beruhigende Wirkung auf mich aus. Als ich mich wieder beruhigt hatte, entließ er mich aus seinen Armen und grinste mich schüchtern an. Kurz betrachtete ich sein, von der Arbeit sehnigen und muskulösen, Körper. Sein Körper, der eine merkwürdige Mischung aus Sonnenbräune und Sonnenbrand zeigte und sein Gesicht in dem sein grober Bartwuchs in krassem Kontrast zu seinen großen, kindlichen blauen Augen stand. Zum ersten Mal seit den etwa drei Wochen in denen ich nun schon hier war, fragte ich mich wie ich selbst wohl aussah und nahm mir unbewusst vor mich bei nächster Gelegenheit mal genau anzusehen.
Schüchtern lächelte ich zurück und half ihm dabei die Äpfel, die bei seinem Sturz aus dem Korb gefallen waren, wieder einzusammeln bevor mich Magdalen zurück ins Haus rief.

Wir frühstückten schnell im stehen, bevor wir wie jeden Tag die Kirche von Grund auf reinigten. Keine Ecke, ob nun sicht- oder unsichtbar blieb verschont.
Gegen zehn Uhr strömten die Besucher zur Sonntagsmesse in die Kirche. Ich war bisher bei keiner Messe in der Kirche geblieben. Ich war mir nicht sicher warum. Vielleicht weil es mir unheimlich war zu beten, wo ich doch nichtmal wusste wer ich war oder woran ich glaubte. Ich wollte gerade in unseren Schlafraum gehen und die Messe abwarten, als ich durchs Fenster draußen eine Bewegung wahrnahm. Kurzentschlossen machte ich kehrt und ging in den Garten. Der Junge vom Morgen stand vorn übergebeugt vor der Hecke und beschnitt sie eifrig. Wie fast immer knallte die Sonne gnadenlos auf diesen Ort und ließ seinen verbrannten Nacken vor Schweiß glänzen. Ich wollte ihn gerne ansprechen, doch wie? Hallo? Hi? Er würde es nicht verstehen. Traurig ließ ich die Schultern hängen. Doch plötzlich kam mir eine Idee. Schnell holte ich aus der Küche eine Flasche kaltes Wasser bevor ich ihm zögernd auf die Schulter tippte und sie ihm schüchtern lächelnd hinhielt. Dankbar nahm er sie und trank gierig mehrere große Schlücke. ,,Es ist heiß heute:“, sagte ich und deutete auf die Sonne. Er nickte. Dann deutete er auf mich und die Kirche. Ich übersetzte es als: ,,Musst du nicht rein?“, und schüttelte den Kopf. Er lächelte und zog mich mit sich in einen lichten Wald nur wenige Meter entfernt. Die kühle dort war himmlisch. Wir ließen uns auf den Waldboden sinken und sahen uns eine ganze Weile nur an. Plötzlich überkam mich ein mulmiges Gefühl. So sympathisch er auch aussah, wer sagte mir, dass er kein Vergewaltiger oder Mörder war? Als das Schweigen unangenehm zu werden begann holte er eine Servierte und einen Bleistift aus seiner Latzhose. Beides gab er mir, bevor er einen Apfel aus seiner Hosentasche zog, auf diesen deutete und ein mir unbekanntes Wort sagte. Ich begriff, schrieb das Wort auf und schrieb daneben Apfel. So ging es weiter mit allem was in greifbarer Nähe war. Baum, Blatt, Ast, Gras, Eichel… Wasser. Nach etwa einer Stunde war die Messe beendet und wir kehrten zur Kirche zurück. Überglücklich endlich ein paar Worte zu kennen schloss ich ihn fest in meine Arme was ihn stark erröten ließ.

Über die nächsten Wochen war viel Arbeit im Haus und Garten, was uns oft zusammen Arbeiten ließ. Er brachte mir regelmäßig neue Worte bei und wiederholte die gelernten. Manchmal brauchten wir Stunden umeinen Satz des anderen richtig zu verstehen. So lernten wir uns im Schneckentempo richtig kennen.

Nach mehreren Monaten konnte ich mich mit Hilfe vieler einzelner Worte und kurzer Sätze gut verständigen. Ich hatte mich gut eingelebt. Ich hatte mein Gedächtnis zwar nicht wieder, aber seit ich etwas sprechen konnte, nahmen mich die Nonnen herzlich in ihrer Gruppe auf. Als Timoty – mein eifriger Lehrer – mich abends tief in unseren Wald führte, klopfte mein Herz vor Nervosität. Seine Anwesenheit war inzwischen für mich natürlich und vertraut, wie atmen. Doch heute war etwas anders. Ständig setzte er zu Worten an, die dann doch nicht über seine Lippen kamen. Er wirkte nervös. Unsicher. Dieses Verhalten färbte auf mich ab und so schwiegen wir uns so lange wie schon seit Monaten nicht mehr an. Schweigend gingen wir zu unserem Lieblingsplatz im Wald. Eine kleine Lichtung mit einem kühlen, sauberen, kleinen See. Dort standen wir mehrere Minuten rum. Irgendwann wurde es mir zu bunt, ich zog meine Schuhe und Socken aus und ließ meine Füße im See baumeln. Nach einer Weile setzte er sich stumm zu mir.
,,Ana?“, murmelte er leise. ,,Ja?“, antwortete ich mit zittriger Stimme in seiner Sprache. Schweigen. ,,Du müde?“, fragte ich besorgt und berührte sanft seine Wange. ,,Nein.“, flüsterte er heiser. ,,Aber ich könnte eine Abkühlung brauchen.“, sagte er lächelnd. Als ich ihn nur verständnislos ansah, ließ er sich langsam ins Wasser gleiten und zog mich sanft mit sich. Erschrocken keuchte ich auf und begann wild zu strampeln bis mein Körper reflexartig Schwimmbewegungen machte. Irgendwann musste ich es wohl gelernt haben und mein Körper erinnerte sich nun daran. Zärtlich zog er mich Richtung Land, so dass ich plötzlich zwischen ihm und dem Rand gefangen war. Schüchtern grinste er mich an und schob mir eine Haarsträhne aus der Stirn. ,,Ana.“, flüsterte er fast nicht hörbar. Als ihm erneut die Worte stockten zog ich ihn fest an mich. „Du sorge. Bitte sagen mich.“ „Ich…“, er zögerte. „Du sollst nicht gehen. Aber wenn irgendwann dein Gedächtnis zurückkommt, wirst du bestimmt gehen. Ana…“ Sanft nahm er meine Hand, inzwischen feuerrot im Gesicht – zog sie aus dem Wasser und malte mit zittrigen Fingern ein Herz auf meinen Handrücken. ,,Ana, ich liebe dich.“ Ich hatte mich in den letzten Monaten so sehr mit meiner –nicht vorhandenen- Vergangenheit und dem lernen der Sprache beschäftigt, dass ich nicht einen Gedanken an Gefühle verschwendet hatte. Doch nun, als ich kurz in mich horchte, schlugen beinah unbändige Gefühle über und in mir ein. ,,Ich auch.“, ächzte ich. Wir kletterten schwerfällig aus dem Wasser und konnten uns plötzlich nicht mehr in die Augen sehen. Schüchtern nahm er meine Hand in seine. „Ich bin nicht reich. Ich kann dir nicht viel bieten. Aber ich werde immer alles in meiner Macht stehende tun, damit du glücklich und sicher bist.“
Zärtlich öffnete er die Knöpfe meiner Bluse. Zögerlich. Einen nach dem anderen. „Ich weiß, ich sollte das nicht tun. Doch ich begehre dich schon seit ich dich das erste mal sah…“ Mein Herz raste. Ich hatte ihn nicht ganz verstanden doch als ich spürte wie er sanft den letzten Knopf meiner Bluse und danach meinen BH öffnete war mir auch so klar was er meinte. In mir tobte ein gnadenloser Kampf. Angst gegen Vertrauen, Schicklichkeit gegen Verlangen. Inzwischen hatte er sich die Hose abgestreift und während seine rauen Finger über meine Brustwarzen streichelten, rieb sein in Shorts gefangenes Glied über meinen Oberschenkel. Als er den Knopf meiner Hose öffnete, wimmerte ich ängstlich. ,,Keine Angst, vertrau mir.“, murmelte er leise während er mir die Hose abstreifte. Nun war ich bis auf meine Unterhose nackt. Sanft drückte er mich auf den Rücken. Während er mich zärtlich küsste, wanderte seine Hand in meine Unterhose. Reflexartig wollte ich meine Beine schließen, doch seine gemurmelten Liebkosungen beruhigten mich. ,,Du kannst jederzeit Stopp sagen. Immer. Ich würde nicht böse sein.“ Sanft zog er mir die Unterhose und sich selbst die Shorts aus. Als er sanft meine Klitoris massierte stöhnte ich genussvoll. Mein Körper bog sich ihm verlangend entgegen und schämte sich gleichzeitig dafür. Vorsichtig schob er einen Finger in mich. Über mein eigenes Verlangen, dass über mir zusammenschlug, erschrocken zog ich ihn am Nacken näher zu mir. Nahm mir das was ich wollte. Doch als er meine Beine um seine Hüfte legte, verkrampfte ich mich und begann zu zittern. „Alles okay?“, murmelte er rau. „Mir ist k…kalt.“. stotterte ich. Er lächelte matt. „Berühr mich. Erkunde mich. Das wird dir die Angst nehmen.“ Stumm starrte ich ihn an. Er legte sich unbefangen auf den Rücken, die Hände unter dem Kopf verschränkt. „Ich werde mich erst bewegen, erst weitermachen, wenn du sagst dass es okay ist.“ „Bitte schließ die Augen.“, flüsterte ich leise. Sein Blick war so intensiv, dass ich innerlich wie äußerlich erstarrte. Klaglos schloss er die Augen. Unsicher küsste ich seinen Mund. Streichelte mit meiner Hand seinen Brust- und Bauchbereich. Als ich über seine Brustwarze strich stöhnte er leise. Sanft umkreiste und knetete ich sie wie er es vorher mit mir getan hatte. Meine Finger fuhren sanft über seinen Bauch hinab zu seinem Glied. Zögerlich fuhr ich mit den Fingernägeln an seinem Glied entlang und umkreiste seine hochempfindliche Eichel bis er am ganzen Leib zitterte und sich ein dünner Schweißfilm auf seinem Körper bildete. „Bitte Ana, süße, gnädige Ana. Ich kann nicht mehr.“ „Sicher? Ich denke das doch.“, flüsterte ich spitzbübisch während ich seine Eichel sanft in den Mund nahm, mit der Zunge liebkoste und daran saugte. Woher mein plötzlicher Mut kam wusste ich nicht. „Ana. Bitte.“, wimmerte er während sich seine Bauchmuskeln verkrampften und die Ader an seinem Hals hinausstach. ,,Okay.“ Seine fahrigen, zittrigen Hände, sowie sein Mund waren überall und als er meine Beine um seine Hüfte legte, war ich mir ganz sicher, dass er jetzt und für immer auf mich aufpassen würde.

Als wir endlich aus dem Wald zurückkamen, ernteten wir missbilligende Blicke sowohl von den Nonnen als auch von den normalen Bewohnern des Dorfes. Timoty sparte in den nächsten Monaten jedes bisschen Geld was er entbehren konnte. So geschah es, dass wir bereits ende des Jahres verheiratet und zusammen gezogen waren. Als ich ein Jahr später schwanger wurde schien unser Glück perfekt. Bis es an der Tür klopfte und mein früheres Leben davorstand…

,,Wohnt hier eine Maria von den Strömen?“. Fragte eine harsche Stimme Timoty an der Haustür. ,,Nein, hier leben nur meine Frau und ich.“, sagte Timoty nach einem Moment verblüfften Schweigens hart zurück. „Uns wurde zugetragen, dass hier eine Frau lebt auf die die Beschreibung Marias passt. Wir sind berechtigt ihr Haus zu durchsuchen.“ Während die Männer auf die Tür zudrängten schmiegte ich mich zitternd in Timotys Rücken. „Timo, sie müssen mich meinen.“, flüsterte ich und schmiegte mich näher an ihn. „Ja.“, sagte er tonlos. Drückte jedoch sanft meine Hand. Kaum waren die Männer im Haus, war ich aus dem toten Winkel seines Rückens und sie entdeckten mich. „Maria, von den Strömen? Sie sind angeklagt des Ehebruchs und der Ehe mit zwei Männern gleichzeitig.“ „Timo“, wimmerte ich. „Das ist nicht wahr. Ich habe dich nie betrogen.“, schluchzte ich. „Vielleicht vor meiner Zeit. Dein Gedächtnisverlust…“ An die Männer gewand fuhr er kalt fort. „Die Konsequenzen? Geldstrafe?“ Der rechte Mann lachte trocken. „Prinz Michael von den Strömen sieht sowohl Ruf als auch Ehre geschädigt. Folter bis zum Geständnis und Reue. Dann die öffentliche Hinrichtung.“ Bei diesen Worten sank ich auf die Knie und übergab mich. „Timo“, weinte ich panisch. Er zog mich kurz, fest in seine Arme, unfähig ein einziges Wort über seine Lippen zu bringen. Dann wurde ich Timoty entrissen und in einen Käfig auf einer Kutsche gesperrt. Als der Käfig losfuhr brachte ich mich in eine sitzende Position und warf einen letzten Blick auf den wie erstarrt am Eingang stehenden Timoty.
Die Stunden verrannen. Es begann zu regnen. Der Regen durchnässte meine Kleider. Als die Kutsche plötzlich anhielt krampfte sich mein Magen zusammen. Einer der Männer öffnete die Eisenkiste und sein Kollege kletterte hinein während der erste ihn wieder abschloss. Die nächste Stunde wurde zu einem wahrgewordenen Albtraum. Er riss mir die Kleider vom Leib, begrapschte und vergewaltigte mich bevor er mit seinem Kollegen tauschte und alles von vorne losging. Alles weinen und betteln half nichts. Als sie genug hatten, wischten sie die Spermaspuren fort und zogen mir meine Kleidung wieder über. Irgendwann kamen wir an. Viele Häuser, doppelt und dreistöckig- Geschäfte, Parks, eine riesige Kapelle… nicht zu vergleichen mit unserem kleinen überschaubaren Dorf. Doch ich wusste, wo ich jetzt lieber wäre. Ich wurde in ein kleines, dunkles und feuchtes Verließ gesperrt. Als sie gingen und die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel, verschluckte sie jedes Licht und ließ mich in absoluter Finsternis zurück. Wieviel Zeit ich dort allein verbrachte weiß ich nicht. Mehrere Stunden bestimmt. Ich weiß nur, dass die Männer mich irgendwann in eine Art Gerichtssaal brachten. „Hast du mit einem gewissen Timoty geschlafen? Hast du ihn geheiratet? Bist du von ihm schwanger?“ Ich versuchte mich zu erklären, doch ich wurde ständig unterbrochen und meine Sprachkenntnisse reichten nicht um mich zu verteidigen. Selbst wenn hätten sie mir vermutlich sowieso nicht zugehört oder geglaubt. Die Ehre meines ersten Mannes war angeknackst. Er wollte Rache. Ich wurde schnell verurteilt und halbnackt auf den Dorfplatz geführt und dort mit einem Stick an einen Pfeiler gefesselt. ,,Bitte. Ich wusste nicht. Ich verloren Gedächtnis.“, schrie ich panisch und versuchte mich vergeblich von den Fesseln zu befreien. ,,Freche Lüge, Hure!“, rief jemand aus der sich inzwischen versammelten Menschenmenge. Meine Hände wurden in Schlaufen gelegt, die sich fest zusammen und mich in die Höhe zogen bis nur noch meine Fußspitzen den Boden berührten. Ich spürte plötzlich eine Hand in meinem Rücken. Er kam langsam um mich herum bis er endlich in meinem Sichtfeld war. Blanker Hass stand in den Augen des etwa fünfzig Jahre alten Mannes. Hatte ich mich – trotz des Altersunterschiedes in ihn verliebt? Das er mein Mann war bezweifelte ich keine Sekunde, den der Hass in seinen Augen sagte alles war er nicht über die Lippen brachte. Er lächelte mich kurz an. Doch es war kein nettes lächeln, eher eines das Rache versprach. Sein Blick wanderte hinunter zu meinem – vom Baby sanft gerundeten – Bauch. Ohne Vrwarnung rammte er mit mehrmals mit aller Kraft das Knie in den Bauch. Für einen Moment wurde alles Schwarz um mich.

Ich war in einem kleinen, schmutzigen Zimmer. Der Mann vor mir streichelte sanft meine Wange. ,,Der Königssohn hat Interesse an dir.“, sagte der ältere Mann mit einer Mischung aus Trauer und Erleichterung in der Stimme.
Das Bild verschwamm und anstelle dessen stand ich in einem reinweißen Hochzeitskleid vor einem Altar. Die Hand die meine hielt, war verschwitzt und runzelig. Als ich  ihm das Ja-Wort gab, lief eine einzelne Träne über meine Wange. Ich hatte keine Wahl.
Erneut verschwamm das Bild und ich war dabei einen Brief zu schreiben:

Er schlägt mich. Ich schäme mich so für mich selbst, aber ich ertrage es einfach nicht länger. Nicht einmal für euch. Er wird mich umbringen wenn seine Wutanfälle weiter zunehmen. Bringt euch in Sicherheit, Mom und Dad. Ich werde fliehen. Ihr habt nicht mehr den Schutz des Königs.

Langsam kehrte ich wieder in die Wirklichkeit zurück. Alle meine Erinnerungen waren wieder da. Ich spürte wie man mir grob eine Flüssigkeit in die Kehle zwang. Peitschenhiebe prasselten auf meinen Rücken nieder. Dann spürte ich wie sie Salz auf die dutzende von Wunden verteilten und einrieben. Wer schrie bloß die ganze Zeit so entsetzlich? Ich. Selbst als es mir bewusst wurde konnte ich die Schreie nicht unterdrücken. Was sie alles mit mir taten weiß ich nicht mehr. Ich will es auch nicht wissen. Ich weiß nur, dass ich irgendwann nicht mehr stehen konnte und die eingeflösste Flüssigkeit Krämpfe in mir auslöste. Irgendwann wurde ich zurück in die Zelle geschleift. Dort blieb ich, auf dem Boden zusammengekauert, liegen. Ein einziges Wort kam über meine Lippen während während meine Magenkrämpfe unerträglich wurden. ,,Timo…“

Irgendwann ergriffen Fieberfantasien von mir Besitz. Jemand öffnete meine Zellentür und flüsterte leise: ,,Maria.“ Ich blieb reglos liegen. Wollten sie mich zum Galgen führen? Sie würden mich schon schleifen müssen. Mir fehlte einfach die Kraft. Ihre eigene Schuld. Ich spürte eine Berührung an meiner Schulter. ,,Ana.“, flüsterte die Stimme nun hartnäckig. Wer-auch-immer drehte mich vorsichtig auf den Rücken. Ich konnte nurnoch verschwommen sehen, aber war das nicht Timo? ,,Steh auf, Ana. Wir haben wenig Zeit. Steh auf.“ Ich konnte nicht. „Ich lass dich nicht hier!“, knurrte er wütend und zog mich hoch.

An die nächsten Tage erinnere ich mich nur Bruchstückhaft. Er bugsierte mich aus dem Gebäude. Hatte Wachen bestochen mit seinem letzten Hemd. Sozusagen. Er hiefte mich draußen in eine Kutsche. Tage, Wochen fuhren wir so weit wie möglich weg. Er kümmerte sich um mich. Reinigte und Verband meine Wunden, fütterte und pflegte mich.
Ich werde euch lieber nicht verraten wohin wir flohen, doch wir sind dort sicher. Haben uns ein neues Leben aufgebaut. Mein Baby hat die Folter leider nicht überlebt. Eine Tatsache die uns beide beinah seelisch umbrachte. Doch so hart es auch ist, das Leben geht weiter. Ich bin Ana. Maria erinnert mich zu sehr an diese schlimmen Tage und Ana ist mein neues Leben. Ein Leben mit Timo. Ein Leben im Glück. Timoty hatte das getan was zu der damaligen Zeit niemand für seine Frau getan hätte. Er hatte nicht nur sein weniges Geld und seine Heimat für mich geopfert, sondern auch sein Leben riskiert um mich zu retten. Inzwischen sind viele Jahre vergangen. Meine Verletzungen sind verheilt und ich spreche und verstehe nahezu fehlerfrei die Sprache. Dennoch malen wir uns noch heute ein kleines Herz mit dem Finger auf den Handrücken wenn wir uns sagen wollen wie viel wir uns bedeuten.


Den Taten sind stärker als Worte. 

(c) Nadine Markowitz

[Story] Meine Heimat

,,Beeilung, Beeilung. Uns bleiben nur drei Wochen. Abladen, aufbauen. In zwei Stunden abmarschbereit vor meinem Zelt!“
Über die beinah fünf Jahre, die ich nun schon Expeditionen an den entlegensten und ungewöhnlichsten Orten der Erde leitete, waren mir solche Kommandos in Fleisch und Blut übergegangen. Niemand, nicht mal ich, zweifelte meine Autorität an. Von meinen Leuten wurde ich hinter meinem Rücken Alpha-Rüde genannt. Ein Name den ich offiziell zu unterbinden versuchte, über den ich mich aber insgeheim freute, den Alpha-Rüde bedeutete nichts anderes als Boss.
Mit geübten Bewegungen trug ich mein Gepäck die letzten Meter, legte sie ab und begann mit dem Aufbau des kleinen Zeltes. Ich hatte mein eigenes Zelt. Ein Luxus der außer mir niemandem zu teil wurde. Um keine Zwietracht zu sähen bemühte ich mich zwar möglichst keinen Unterschied zwischen mir und meinen Leuten zu machen, doch ein eigenes Zelt – und sei es noch so klein – war für mich eine Notwendigkeit. Diese Rückzugsmöglichkeit war einfach ein muss. Ein kleiner Platz an dem ich auch mal erschöpft, schwach oder geknickt sein durfte.
Als das Zelt aufgestellt, meine Trinkflasche aufgefüllt und ich umgezogen war, warf ich einen kurzen Blick über unser Lager. In rasantem Tempo war das große Gemeinschaftszelt, sowie die kleinen Bauten für Werkzeug und sonstiges Material und die Kochstelle aufgebaut worden.
Während ich darauf wartete das sich meine Männer vor seinem Zelt sammelten, wanderte mein Blick über die Bäume, groß, dick und ineinander übergreifend, so dass sie schon wenige Meter im Wald jegliches Licht verschluckten. In der Ferne ragten zwei Felsen auf. Es war eine kleine Inselkette auf der wir uns befanden. Wobei klein wohl im Auge des Betrachters liegen mag. Mitten im Meer lag sie. Meinen Recherchen zufolge musste irgendwo hier eine mehrere hundert Kilo schwere Goldstatur sein. Wenn wir sie finden würden, würde keiner von uns je wieder Geldsorgen haben.
Als die Männer vor mir versammelt waren stöhnte ich innerlich. Normalerweise war auf sie verlass, doch die Anstrengungen der letzten Tage hatten deutliche Spuren hinterlassen. Hängende Schultern, tiefe Augenringe und gereizte Gemüter. Von dem nicht vorhanden sein der notwendigsten Ausrüstung für eine Erkundung eines unbekannten Gebietes mal ganz abgesehen.
,,Okay. Ihr seit Wracks. Allesamt. Essen, schlafen, Morgen um sieben Uhr früh wieder hier. Pünktlich!“ Heute kein Gewaltmarsch mehr. Nicht für sie. Die Männer wandten sich erleichtert ab während ich erschöpft meinen Rucksack schulterte, meine Taschenlampe anschaltete und mich auf den Weg in den Dschungel machte.


Eine ganze Weile marschierte ich stur nach Norden. Die Bäume wurden dichter und selbst mit der Taschenlampe sah ich eher schlecht als recht den nächsten Meter. Eine Baumwurzel ließ mich stürzen und meinen Kompass verlieren. Ich leuchtete minutenlang den Boden ab, vergeblich. Der Kompass war verschwunden. Nach einem letzten hoffnungsleeren Blick auf den Boden setzte ich mich erneut in Bewegung. Ich war mir nicht sicher von wo ich gekommen war und wusste deshalb auch nicht in welche Richtung ich nun ging.
Plötzlich spürte ich einen stechenden Schmerz in der Wade und fluchte unterdrückt. Ich blickte zu Boden auf dem ich jedoch nichts als Dunkelheit sah. Doch das machte nichts. Sowohl das rascheln des Laubes als auch Schwindel und Übelkeit die mich plötzlich erfassten sagten mir, dass es eine Schlange gewesen war. Giftig. Ich sank stöhnend auf den Boden und begann zu zittern. Mir wurde kalt und zugleich brütend heiß. Magenkrämpfe, ein Schwindelgefühl was mich gnadenlos zu Boden drückte und würgen ließ und – am schlimmsten – mein Herz, das wie Feuer brannte und wie ein Presslufthammer, viel zu schnell, schlug, so dass ich nichts anderes mehr hören konnte.
Als ich mir schon sicher war sterben zu müssen, spürte ich eine kühle Hand auf meiner Stirn. Ich öffnete kraftlos meine Augen und sah ein junges Mädchen das zu mir hinabsah.
Wer jetzt an ein die makellosen Sixpack- und 90-60-90-Modells von Tarzan und co denkt liegt weit daneben. Narben, Kratzer, Dreck und Blut zierten ihren Körper und die ungebändigte, vor Dreck starre Mähne ihres Haares. Einen Moment verlor ich mich in ihren tiefbraunen Augen bevor mich die Realität zurück in ihre Fänge holte.
Hilflos zitternd erbrach ich mich und presste mir mit aller Kraft eine Hand auf meine brennende Herzgegend. ,,Hilf mir.“, flehte ich gequält. Verschwommen sah ich zu wie sie der Schlange mit einem spitzen Stein den Bauch aufschnitt und eine Blase aus ihrem Körper holte. Dann zerrte sie mir meinen Rucksack vom Rücken und versuchte ihn zu öffnen. Inzwischen überstiegen die Schmerzen alles was ich jemals erlebt hatte und wimmerte unter Tränen: ,,Nimm was immer du willst, aber bitte hilf mir!“ Mit fahrigen Fingern öffnete ich ihr schnell den Rucksack bevor ich mich mit geschlossenen Augen wieder zurücksinken ließ. ,,Bitte, lass mich nicht allein.“, flüsterte ich leise.
Das Mädchen blickte mich eine Weile stumm an bevor sie kurzerhand meinen Rucksack nahm, ihn auf links drehte und alles hinausfallen ließ. Einen kleinen Erfolgslaut ausstoßend, ergriff sie eine kleine Holzschale. Sie ließ den Inhalt der Blase in die Schüssel laufen, schmiss irgendwelches Grünzeug hinterher und zerstampfte alles mit einem Stein zu einem Brei. Als sie ihn mir einflösste krümmte ich mich und versuchte ihn auszuspucken. Doch mit bloßer Gewalt hielt sie mir den Mund und die Nase zu bis ich widerwillig schluckte. Was auch immer sie mir zusammengemischt hatte, es zeigte Wirkung. Meine Schmerzen ließen nach und ich sank in einen tiefen Schlaf.

Als ich wieder erwachte war mir eiskalt. Erschöpft schlug ich die Augen auf und sah mich um. Es war erstaunlich hell. Licht flutete die Bäume und schaffte ein kleines Paradies der Farben. Ich blickte mich eine Weile schweigend um. Einige Meter von mir entfernt hockte sie. Durch meine Bewegung aufmerksam geworden kam sie zu mir und zog mich auf die Beine. Diese konnte ich nur mit Mühe daran hindern nicht einzuknicken. Plötzlich stellte ich fest, dass ich völlig nackt war. Ebenso wie sie. ,,Was ist mit meinen Klamotten?“, keuchte ich entsetzt. Sie blickte mich verständnislos an bis ich an mir hinabdeutete. Ihr Blick folgte der Bewegung meiner Hände und verweilte an einigen Stellen einen Moment länger als nötig gewesen wäre. Dann deutete sie durchs dichte Gestrüpp. Ich war schon dabei ihrer Wegangabe zu folgen, als sie nach meinem Arm griff und mich damit zum stehen brachte. Keine Sekunde zu früh, den, wie ich nun sah, herrschte keinen Meter weiter eine gähnende leere. Ein sehr tiefer Abgrund in den ich fast gestürzt wäre. Ich wich erschrocken einen Schritt zurück. ,,Eine Warnung wäre nett gewesen!“, zickte ich sie an, während ich in den Abgrund starrte. Dann entdeckte ich tief unten in der Schlucht einen wage bekannten umriss. Meinen Rucksack. Meine Kleidung.
,,Bist du irre? Ich brauche das Zeug doch noch!“, schnauzte ich sie wütend an. Unbeeindruckt ergriff sie meine Hand und zog mich scheinbar endlos hinter sich her. Die Giftreste ließen mich immer wieder taumeln und stürzen doch sie zog mich unerbittlich weiter. Erst als wir an einen kleinen Teich ankamen, hielt sie kurz an. Sie machte eine weit ausholende Bewegung, dann deutete sie auf ihre Nase und letztlich auf mich. Als ich sie nur verständnislos ansah stöhnte sie leise und schubste mich kurzerhand ins Wasser. Ich beobachtete wie sie ebenfalls ins Wasser stieg und sich wusch. Ich kam mir zwar nicht sonderlich dreckig vor, dennoch fügte ich mich in mein Schicksal und begann mich zu waschen. Sie stieg aus dem Wasser und begann sich mit einer dicken Schlammschicht einzureiben. Danach war ich dran bevor sie mich einen großen Baum hinauf zwang. Ich hatte es längst aufgegeben sie verstehen zu wollen und gehorchte nur wortlos. Normalerweise war ich gut trainiert und einen Baum hochzuklettern machte mir nicht viele Probleme, doch als ich nun mit Giftresten im Blut und splitterfasernackt, ohne Körperschutz den Baum hinauf musste, ja, da hatte ich gewisse Probleme. Oben angekommen überließ sie mir einen großen Ast direkt am Hauptstamm auf de man es sich gut bequem machen konnte und krabbelte selbst ein Stück den Ast entlang und machte es sich an einer, eher ungemütlich aussehenden, Stelle bequem.
Meine Haut juckte und ich fror durch den Schlamm. Dennoch schlief ich durch die Anstrengungen des Tages schnell ein. Stunden später weckte mich ein rascheln tief unter uns. Es war noch immer hell und so leicht auszumachen um was es sich handelte. Tiger! Erschrocken starrte ich nach unten und wollte schon das Mädchen wecken und warnen als ich begriff. Sie hatte es gewusst. Deswegen die Kleidung entsorgen, die so sehr nach Mensch roch. Deswegen den Geruch überdecken. Ich war beruhigt. Dennoch machten mich die Tiger unter uns so nervös, dass ich mich fester als nötig an einem Ast festhielt und die restliche Zeit keinen Schlaf mehr fand. Irgendwann bewegte das Mädchen sich. ,,Aufstehen. Sie sind vorbeigezogen. Ich bringe dich jetzt zu deinen Leuten zurück.“ Verblüfft sah ich sie an. ,,D,,,du verstehst mich? Wieso hast du nichts gesagt?“ Doch ich bekam keine Antwort und nur Schweigen auf meine Frage. Mühsam kletterten wir den Baum hinab und sie führte mich schnellen, sicheren Schrittes zurück zu unserem Lager.

Als mein Lager in Sichtweite kam ließ sie sich zögernd zurückfallen. ,,Was ist? Komm doch.“, sagte ich munter, froh wieder einen bekannten Ort zu sehen. Sie blickte mir lange in die Augen bevor sie vorsichtig einen Schritt auf mich zumachte und wir gemeinsam das Lager betraten. Wir wurden nahezu sofort entdeckt und von meinen Leuten umringt die mich mit Fragen, was mir passiert war und wohin meine Kleidung war, bombardierten.
Ich wusste, dass sie mir nicht vertraute, doch als ihr alle so nah kamen und sie anstarrten wählte sie das kleinere von zwei Übeln und schmiegte sich zitternd an meinen Rücken.
,,Wer ist sie? Was ist passiert? Bist du verletzt? Wo sind deine Klamotten?“, prasselten die Fragen auf uns nieder. ,,Ich werde euch das alles später erzählen. Bitte verschwindet in eure Zelte und schlaft. Wir müssen Morgen fit sein.“ Als alle fort waren, führte ich sie in mein Zelt. Ich wusste nicht, was ich noch von ihr wollte. Ich war ja wieder zurück im Lager. Doch alles in mir sträubte sich dagegen sie gehen zu lassen. Durch die körperlichen Anstrengungen des letzten Tages und die Nachwirkungen des Giftes drohten mir bereits wieder die Augen zuzufallen. Ich schüttelte den Kopf um wieder etwas wacher zu werden und murmelte: ,,Ich bin Alexander, kurz Alex. Und du?“ Stumm sah sie mich an. ,,Nun komm schon. Ich weiß das du mich verstehst! Bricht dir ein Zacken aus der Krone, wenn du mir deinen Namen verrätst?“, neckte ich sie. ,,Rina“, flüsterte sie leise. ,,Du hast mir das Leben gerettet, Rina.
Danke.“ Sie nickte. ,,Warum lebst du hier? Wieso verstehst du mich? Was ist mit deiner Familie?“ Tränen traten in ihre Augen und sie stand rasch auf. ,,Ich gehe.“, sagte sie mit unnatürlich hoher Stimme. Ich stand ebenfalls auf, doch sie war bereits aus der Tür. Ich eilte ihr nach und sah Rina, die stumm versuchte sich aus dem eisernen Griff meines Vorgesetzten zu befreien. Eine Hand in ihren Haaren, die andere auf ihrem Rücken, drückte er sie in eine sehr unangenehme Position. Ich war meinen Vorgesetzten gehorsamst ergeben und hatte nie Zweifel an der Richtigkeit gehabt, doch nun war mir alles andere als Wohl bei dem Anblick der wehrlosen Rina.
,,Alexander“, sagte mein Vorgesetzter streng. ,,Ich habe mir überlegt das der Urwald zu groß ist um ihn allein mit deiner kleinen Gruppe zu durchsuchen. Ich werde das Kommando nun wieder übernehmen. Wer ist diese junge Dame?“ Noch bevor ich mir überlegen konnte wie ich antworten sollte, übernahm die Antwort mein wohl strebsamster Mann: ,,Eine wilde die Alexander aus dem Wald. Sie scheint uns verstehen zu können.“ Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu, widersprach jedoch nicht. ,,Ist das so?“, sagte mein Vorgesetzter mit einem verschlagenen Lächeln auf dem Gesicht und beäugte Rina nun etwas genauer. ,,Du kennst dich hier doch sicherlich hervorragend aus, oder? Du kennst hier doch garantiert jeden Winkel und weißt ganz genau wo das Gold ist. Also?“ Trotz mehrmaliger Aufforderung antwortete Rina nicht bis es meinem Vorgesetzten letztendlich zu bunt wurde und er befahl sie einzusperren. Rina wehrte sich mit aller Kraft, doch gegen drei Männer, von denen jeder einzelne mehr wog als sie, hatte sie keine Chance. Gnadenlos sperrten sie sie in einen Käfig den sie in die pralle Sonne des Strandes stellten. Mein Vorgesetzter gab noch den kurzen Befehl: ,,Kein Wasser, kein Essen bis auf weiteres.“, dann war die Sache für ihn erledigt.

Mehrmals täglich ging ich zu ihr um nach ihr zu sehen. Sie würdigte mich keines Blickes. Nach zwei Tagen war ihre ganze Haut knallrot vom Sonnenbrand. Ihren knurrenden Magen und ihr krampfhaftes, trockenes Schlucken konnte ich immer hören, ob ich nun in ihrer Nähe war oder nicht. ,,Rina, es tut mir so Leid!“, murmelte ich am Morgen des dritten Tages. Ich hatte seit zwei Stunden nichts getrunken und schon jetzt fühlte sich meine Kehle durch die Hitze furchtbar trocken an. ,,Verschiwinde.“, wimmerte sie leise. ,,Ihr werdet nichts von mir erfahren!“ Ich lächelte. Eine kleine Kämpfernatur. Wie passt so ein großer Wille bloß in so einen kleinen Körper? ,,Okay. Aber gibt es nichts anderes über das du gerne reden würdest? Ich kann mir gar nicht vorstellen wie es sein muss niemanden zu haben mit dem man reden kann und jeden Tag hier um sein Leben kämpfen zu müssen.“ Sie schwieg, dann: ,,Dich interessiert nur das Gold. Ich lass mich nicht von dir einwickeln.“, sagte sie um eine feste Stimme bemüht. ,,Ja, das Gold interessiert mich sehr. Doch was hätte ich davon etwas zu erfragen was mich nicht interessiert?“ Ich wartete eine Weile und wollte bereits wieder gehen, als endlich schwerfällig Worte über ihre Lippen kamen: ,,Wir waren mit einem Schiff unterwegs, als wir in einen Sturm gerieten. Unser Schiff wurde zerstört. Die, die nicht wie mein Bruder ertranken strandeten hier.“ ,,Wann war das?“, fragte ich geschockt. ,,Vor etwa 15 Jahren. Ich war damals 7.“ Sie begann leise zu weinen. Sanft berührte ich durch das Eisengitter ihre Hand um sie zu trösten. ,,11 Personen schafften es lebend ans Land. Unter ihnen meine Eltern. Wir bauten uns hier ein Leben auf, doch…“, ihre Stimme verlor sich. Ich war mir sicher das sie gar nichts mehr sagen würde, wenn ich sie jetzt drängen würde und so wartete ich, stumm ihre Hand haltend. ,,Vor etwa einem Jahr starben innerhalb von zwei Monaten alle außer mir. Ihr Körper wurde von Schluchzern geschüttelt und sie entzog mir ihre Hand. Ich versuchte noch lange sie zu trösten, doch sie schien in ihren Gedanken gefangen und nahm mich bis ich letztlich ging kaum noch wahr.

Als ich nachmittags erneut zu ihr ging, lehnte sie erschöpft an den Gittern ihres Käfigs. Die Augen halb geschlossen lächelte sie mich an. ,,Du bist nett.“, krächzte sie erschöpft. ,,Wäre ich nett, würde ich dich befreien.“, sagte ich voll schlechten Gewissens und nahm durch die Gitter des Käfigs ihre Hand in die meine. Eine weile schwieg sie, dann: ,,Hier gibt es zwei Regeln.“, sie hielt einen Finger hoch. ,,Der Stärkere hat das sagen.“, sie hielt zwei Finger hoch. ,,Jeder muss an sich selbst denken.“ Erstaunt blickte ich sie an. Man konnte deutlich sehen, dass es ihr sehr schlecht ging. Sie war an den Stellen, die nicht vom Sonnenbrand gekennzeichnet waren kalkweiß und eine Hand lag schützend über ihrem schmerzenden Bauch. ,,Weißt du nicht was wir wissen wollen? Hast du einen Grund zu schweigen? Wieso sprichst du nur mit mir?“ Wie immer, wenn ich zuviel fragte, antwortete sie zuerst nicht. ,,Okay, Themenwechsel. Was…“, sagte ich beschwichtigend als sie mir plötzlich ihre Hand entzog , sich abwandte und haltlos zitternd erbrach. ,,Rina“, murmelte ich besorgt. ,,W…wenn ich euch sage wo es ist… zerstört ihr die Gräber.“, wimmerte sie. ,,Rina…“, fing ich an, ahnungslos was ich überhaupt sagen wollte. Rina verließen ihre Kräfte und sie schlief erschöpft ein.
Einen Augenblick betrachtete ich sie. Nein, das hatte sie nicht verdient. Ich ging in das Zelt meines Vorgesetzten. ,,Sir?“, rief ich. Er kam aus einer kleinen Nische und sagte hart: ,,Sprechen sie Aexander.“ An seinen ruppigen Ton war ich gewöhnt und nahm es daher nicht persönlich. ,,Die Gefangene braucht Wasser und Brot. Es geht ihr gar nicht gut.“ ,,Ist sie den bereit zu sprechen?“ ,,Nun…“, ich zögerte. ,,Nein. Kein Wort. Vielleicht versteht sie uns doch nicht.“ Das war zwar eine kleine Notlüge, doch sollte sie sich weiterhin weigern uns zu sagen wo die Statur war, konnten wir noch immer so tun als verstünde sie uns nicht. Vielleicht wäre diese Vermutung ihre Rettung und ihr Weg zurück in die Freiheit. Diese kleine Hoffnung war besser als gar keine. Aber seit wann versuchte ich eigentlich sie zu schützen? Aber wenn ich genauer darüber nachdachte, war es gar nicht so merkwürdig. Natürlich, ich wollte das Gold finden, reich werden. Aber von Folter oder sogar Mord war nie die Rede gewesen. Außerdem hatte sie mir bereits das Leben gerettet. Ich war ihr etwas schuldig. Den restlichen Tag und die halbe Nacht konnte ich nur an ihr mal Tränenüberströmtes und mal kalkweißes, schmerzverzerrtes Gesicht denken. Mein Vorgesetzter hatte sich nicht erweichen lassen. Als ich sie am Nachmittag besuchte war sie ein zusammengesunkenes Häufchen elend. ,;Alex.“; winselte sie erschöpft als sie mich bemerkte. ,,Ich kann nicht mehr. Wenn ich euch sage wo die Statur steht… schützt du dann die Gräber?“ Ich zögerte. Ich hatte Angst ihr falsche Versprechungen zu machen, doch noch mehr fürchtete ich das sie noch mehr leiden oder gar sterben würde, weil sie es uns nicht verriet. ,,Ja, ich verspreche es dir.“ Erleichtert ging ich zu meinem Vorgesetzten und eröffnete ihm, dass Rina nun bereit war uns hinzuführen. Keine Stunde später waren alle Personen in unserem Lager zusammengekommen und abmarschbereit. Eingeschüchtert hatte sie sich in eine Ecke gekauert und suchte meinen Blick. Ich öffnete die Tür des Käfigs und kletterte zu ihr hinein. ,,Hier, trink etwas.“, sagte ich zu ihr und hielt ihr eine Wasserflasche an den Mund. Dankbar trank sie in großen Schlucken die gesamte Flasche schnell leer. ,,Aufstehen. Los!“, schnauzte sie mein Vorgesetzter streng an. Sie zuckte zusammen. ,,Alex, ich… kann nicht aufstehen.“, flüsterte sie mir mit zittriger Stimme zu. ,,Komm, ich helfe dir.“ Vorsichtig zog ich ihren Arm über meinen Nacken und sie hoch. Taumelnd ging sie von mir gestützt wenige Meter. Scheinbar blindlings taumelten wir Stunde um Stunde mit unserer riesigen Gefolgschaft im Wald herum. Immer wieder unterbrochen von ihrem zu-Boden-sinken und erbrechen. Das ungeduldige Stöhnen und meckern hinter uns ignorierend, streichelte ich dann ihren Rücken und flösste ihr Wasser ein. Erschöpft taumelten wir weiter bis sie irgendwann erschöpft stehen blieb. ,,Bitte, enttäusche mich nicht.“ ,flüsterte sie mir nahezu nicht hörbar zu. Dann führte sie uns einen nahezu unsichtbaren Gang um einen Berg entlang hinunter. Der Pfad endete in einer Höhle in der sich das Licht auf wundersame Weise brach. Sie führte uns noch ein Stück weiter bis sich die Höhle zu allen Seiten weitete und die Sicht auf eine große goldene Statur freigab. Wie war sie in die Höhle gelangt? Sie war zu groß um durch den Tunnel zu passen oder sie gefahrlos den schmalen Pfad hinauf zu transportieren. Wenige Minuten erstaunter ,ahs´ und ,ohs´, die rasch verklangen und nur kaltes Pläneschmieden zurückließen. Wie bekommen wir sie hier raus? Wie durch den viel zu engen Wald? Durch den Tunnel? Rina, die erschöpft an einer Wand hinunter gesunken war, schien niemanden mehr wahrzunehmen. Sie schien vor Hunger und Erschöpfung bereits im Halbschlaf zu sein, doch als sie die Worte der Männer hörte wurde sie schlagartig wach. ,,Wir holzen einen Pfad vom Meer bis zur Höhle ab und zerstören die Höhle!“ ,,Nein!“, schrie Rina. Sie kam schwankend auf die Beine und taumelte auf mich zu. ,,Du hast es mir versprochen!“, wimmerte sie. Ich nickte. ,,Es gibt doch sicher einen anderen Weg.“, sagte ich fieberhaft überlegend. ,,Jede andere Möglichkeit hieße die Statur in Stücken zu transportieren. Zerstören. Wertmindernd. Auf keinen Fall. Abholzen.“, entschied schnell und unverhandelbar mein Vorgesetzter. ,,Nein!“, schrie Rina und wollte sich auf ihn stürzen, doch ich hielt sie fest. ,,Erschießt sie.“, befahl er genervt. ,,Nein. Bitte.“, fuhr ich auf und schob mich zwischen Rina und die Gewehre. Gereizt blickte er mich an. ,,Dann sorg dafür das sie still ist Alex.“
Rina schrie, kratzte und biss, doch ihr Körper war durch die Tortur der letzten Tage sehr geschwächt und so war es für mich ein leichtes sie fort zu ziehen. Sie auf dieser Distanz zu halten stand jedoch auf einem ganz anderen Blatt Papier. Ich redete immer weiter auf sie ein, entschuldigte mich und tat alles was mir einfiel um sie zu beschwichtigen. Vergeblich. Irgendwann kam mir etwas in den Sinn. Ich legte alle Waffen und die Schutzkleidung ab und stellte mich ihr gegenüber hin. Ohne Worte verstanden wir uns und begannen mit einem gnadenlosen Kampf. Ihr Vorteil: Anders als ich war sie an einen Kampf ohne Waffen gewöhnt. Ihr Nachteil: Sie war sehr geschwächt und hatte seit Tagen nichts gegessen. Bereits nach kurzer Zeit war der Kampf entschieden. Trotz deutlicher Blessuren in Form von Kratzern, Bissen und blauen Flecken hatte ich gewonnen. Und der Gewinner entscheidet. ,,Es tut mir leid was sie tun. Sehr leid sogar. Aber dein Tod rettet die Gräber nicht. Du hast keine Chance. Du wirst nicht gegen sie kämpfen, nicht schreien oder ähnliches. Verstanden? Ich verbiete es!“ Blass nickte sie. Ich schob sie in mein Zelt und gab ihr etwas Brot. ,,Iss.“ Sie gehorchte.
Bereits zwei Tage später rückten die Bulldozer an. Rina gehorchte. Sie schrie nicht, kämpfte nicht. Sah nur mit hängenden Schultern und stumm weinend zu. Ich versuchte sie mehrmals zu trösten doch meine Worte prallten an mir ab. Sie sagte kein Wort zu mir und wich meinen Berührungen aus. Als die Arbeiten erledigt waren zog sich eine große Narbe aus gefällten Bäumen bis ins Herz der Insel. Die Gräber hatte ich nirgendwo entdeckt, doch au ihren toten Augen schloss ich, dass wir sie zerstört hatten. Unsere Lager wurden abgebaut und auf das Schiff geladen. ,,Rina, bitte komm mit mir. Was bleibt dir hier noch?“, versuchte ich sie zum was-weiß-ich-wievielten Mal zu überreden, doch sie würdigte mich keiner Antwort und winkte nicht mal als unser Schiff außer Sicht fuhr.




Ein Jahr später…



,,Rina!“, schrie ich in den Wald hinein. Ich glaubte nicht, dass ich sie finden würde. Es war ein so grenzenlos großes Gebiet. Doch auch wenn es fast aussichtslos war hatte ich das vergangene Jahr beinah unaufhörlich an sie gedacht und irgendwann hatte ich mich einfach in Bewegung gesetzt und war zurückgekehrt. Ich hatte mich in sie verliebt. Das war keine urplötzliche Erkenntnis gewesen, sondern ein schleichender Vorgang. Dennoch war es so klar wie der Sonnenuntergang, der garantiert irgendwann kommen würde. Während ich den Urwald durchstriff plagte mich mein schlechtes Gewissen und die typischen hinterher-weißt-du-es-besser Gedanken. Ich hätte nicht so schnell aufgeben dürfen. Ich hätte ihr sagen müssen was ich fühle. Ich hätte sie in ihrer Trauer nicht allein hier lassen dürfen.
Der Tag ging zu Ende und trübsinnig kehrte ich zurück zu meinem Schiff. ,,Morgen ist ein neuer Tag, wir finden sie schon noch.“, sagte mein bester Freund James. Ich wusste das seine Worte mich nur aufheitern sollten und er selbst nicht im entferntesten daran glaubte.

Tagelang durchstriffen wir den Wald. Als wir schon beinah aufgeben wollten, murmelte eine leise Stimme ,,Alex.“ Erschrocken drehte ich mich um, konnte jedoch nichts entdecken. Ich war schon beinah überzeugt zu haluzinieren, als weit oben plötzlich ein Ast knackte und etwas wie ein nasser Sack herunterfiel. ,,Rina.“, rief ich erschrocken und wollte schon zu ihr rennen, doch sie schluchzte gequält: ,,Bleib weg! Nein, komm nicht her!“ ,,Warum?“, fuhr ich wütend auf. ,,Ihr müsst schnell von hier weg. Der Wald stirbt. Ihr sterbt auch wenn ihr hier bleibt.“ Doch es war mir egal. Ich hatte mich das vergangene Jahr so sehr nach ihr gesehnt. Ich rannte zu ihr und kniete mich neben sie. Vorsichtig drehte ich sie auf den Rücken. Ich erstarrte. Ihr ganzer Körper war von Flecken übersäht. ,,Baumfieber!“, stöhnte ich entsetzt. Ich biss die Zähne fest zusammen und schloss einen Moment die Augen, dann: ,,James!“, rief ich laut. Dieser hatte bisher erschrocken hinter mir gestanden und kam nun zögernd zu mir vor. ,,Hol zwei Männer und eine Trage für Rina vom Schiff. Sag dem Arzt er soll uns alle gegen Baumfieber impfen. Wir legen mit Rina in zwei Stunden ab. Rina braucht dringend einen Arzt!“ Während James davoneilte, blieb ich bei Rina. ,,Bleib wach Kleine. Bleib wach!“, flüsterte ich während ich vorsichtig ihren Kopf stützte. ,,James, kommt gleich zurück. Durchhalten.“ Vorsichtig tastete ich ihren Körper ab. Zumindest äußerlich hatte ihr der Sturz unglaublicher Weise keinen Schaden zugefügt. ,,Ihr müsst weg. Alles stirbt.“ ,,Mach dir keine Sorgen.“, murmelte ich, während ich trostspendend ihre Stirn streichelte. ,,Wir können dir helfen.“ Einen Moment schloss sie erschöpft die Augen, dann: ,,Du wolltest mich damals retten und ich…“ Tränen traten in ihre Augen. ,,Tut mir Leid.“ ,,Ist schon okay. Mach dir keine Sorgen.“ Sie lächelte schwach bevor ihr die Augen zufielen.
Etwa eine Stunde später kam James zurück. Rina war noch nicht wieder aufgewacht. Wir hoben sie auf die Trage und kämpften uns durch den dichten Wald. Mit Rina auf der Trage war es eine schwere Anstrengung uns durch den Wald zurück zu kämpfen. Trotzdem atmete Rina als wir ankamen schwerer als wir alle und Schweiß perlte in Strömen von ihrem Körper. Mit einiger Verspätung setzten wir die Segel.

,,Wir dürften in etwa zwei Tagen ankommen. Alex… Meinst du Rina hält noch solange durch?“ ,,Ja!“, sagte ich wütend über James Zweifel. Wenig überzeugt blickte James auf Rinas bewegungslosen Körper in meinem Bett. Seit wir vor zwei Tagen losgefahren waren, hatte sie kaum mehr gesprochen oder sich gerührt. ,,Sie muss einfach!“, sagte ich matt und setzte mich neben sie. ,,Rina.“, flüsterte ich leise hob ihren Kopf etwas an. ,,Du musst etwas essen und trinken. Bitte Rina, ich will dich nicht verlieren!“ Vorsichtig flösste ich ihr Löffel für Löffel Suppe und Tee ein. Kaum die Hälfte schluckte sie, doch die Hälfte war besser als gar nichts. Am frühen Abend öffnete sie die Augen und begann unverständliches Zeug zu murmeln. Sie war sehr aufgeregt. Einzelne Sätze konnte ich verstehen. ,,Bitte sterbt nicht!“,
,,Lasst mich nicht allein!“ ,,Mama, Papa, bitte!“ Alles gute zureden beruhigte sie nicht. Als sie anfing haltlos zu weinen und zu schreien, krabbelte ich zu ihr unter die Decke, zog sie fest in meine Arme und begann ihr leicht durch das Haar zu streicheln. Ihr Körper war furchtbar heiß, in meinen Armen entspannte er sich endlich und schlief ein.

Die nächsten Tage fantasierte sie immer häufiger. Ich schaffte es nur noch selten sie zu beruhigen und essen verweigerte sie konsequent. Als wir endlich am Hafen anlegten, riefen wir uns sofort – die in dicke Decken gewickelte Rina dabei – ein Taxi und fuhren zu einem Krankenhaus. An Schläuchen gehängt und ans Bett festgebunden wurde sie mit Medikamenten zugedröhnt. Sie in den Händen von Experten zu wissen beruhigte mich sehr. Es dauerte mehrere Tage bis sie endlich über den Berg war. Als sie eines Morgens aufwachte, merkte ich sofort, dass sie wieder klarer denken konnte. ,,Alex.“, flüsterte sie zitternd. ,,Bitte mach diese Dinger ab.“, flüsterte sie und sah zu den Fesseln die sie während ihrer Fieberfantasien auf dem Bett gehalten hatten. ,,Okay.“, sagte ich sofort. Man sah, dass es ihr besser ging. Es bestand keine Notwendigkeit mehr sie zu fesseln. Kaum waren sie ab, setzte sie sich schwerfällig auf. ,,Wo… sind wir.“ „Im Krankenhaus.“ Als sie mich nur verständnislos ansah, versuchte ich zu erklären: „Hier bringt man Personen her denen es nicht gut geht und versucht ihnen zu helfen.“ „Und…ich bin so eine Person?“, fragte sie neugierig. Mein Blick glitt an ihr hinab. Sie war viel dünner als noch vor einem Jahr. Ihr Gesicht eingefallen. Dunkele Augenringe in einem sehr blassen Gesicht… „Ja, du warst krank. Aber du kommst wieder auf die Beine.“ Sie lächelte. ,,Ich will aufstehen. Raus.“ Nachdenklich sah ich sie an. ,,Vorschlag: Du wirst noch mal untersucht. Wenn der Arzt sagt, dass du gehen darfst, gehen wir.“ Sie nickte stumm. Dennoch krabbelte sie aus dem Bett. „Sei vorsichtig. Dein Körper ist noch sehr geschwächt.“, sagte ich besorgt. Stumm taumelte sie zum Fenster und berührte verblüfft das Glas bevor sie hinaussah. Leise trat ich hinter sie und berührte ihre Schulter. ,,Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass du mir noch vertraust, aber …ich passe auf dich auf. Du brauchst dich nicht zu fürchten.“ Sie drehte sich um und wir sahen uns für einen kurzen Moment fest in die Augen. Sie öffnete gerade den Mund um…etwas zu sagen?...als es an der Tür klopfte und der Arzt rein kam. ,,Wie geht es unserer jungen Patientin mit dem sehr außergewöhnlichen Baumfieber?“ ,,Sie sind der Arzt? Mir geht’s gut, ich will gehen.“, sagte sie selbstbewusst. Erstaunt blickte mich der Arzt an. Ich konnte ein fröhliches Lächeln jedoch nicht unterdrücken. Eine Wohltat die Rina aus den ersten Tagen unserer Bekanntschaft zurückzuhaben. Die Rina, die statt krank oder traurig, lebensfroh und mutig war. „Es wäre trotzdem nett, wenn sie sie noch einmal untersuchen würden. Sie ist ausgesprochen zäh, aber mich würde es sehr beruhigen.“ Der Arzt nickte, doch als er sein Stethoskop hervorzog, wich sie verunsichert etwas zurück. „Keine Sorge.“, murmelte ich beruhigend und schob sie sanft Richtung Arzt. Die Untersuchung ging schnell und da wir fast mit leeren Händen gekommen waren, waren wir schnell wieder aus dem Krankenhaus raus. Wir gingen gemächlich durch die Straßen. Ihr Blick zwischen Verwunderung, Erstaunen, Ablehnung und Entzücken wechselnd, lag auf allem nahezu gleichzeitig. Doch bis auf das sie meine Hand ergriff – und während unserer ganzen Tour nicht mehr losließ – deutete nichts darauf hin, dass ihr die Gegend Unbehagen oder gar Angst bereitete. Sie sagte und fragte kaum etwas. Ließ alles stumm auf sich wirken.
„Rina?“, setzte ich unsicher an. „Ich weiß, du kannst es dir sicher schwer vorstellen nach 15 Jahren im Urwald… Und ich bin sicher das das dich diese vielen Menschen hier etwas einschüchtern, aber…“ Ich schaute sie unsicher an. Ich war mir nicht sicher wie ich enden sollte und wollte. ,,Alex… ich würde gerne bei dir bleiben, aber ich passe nicht hier her.“, unterbrach sie mein nach-den-richtigen-Worten-suchen mit trauriger Stimme.
,,Ich will das du bei mir bleibst!“ „Ich brauche Bäume, Wasser, Natur…“ Ich lächelte.

Bereits zwei Wochen später zeigte ich ihr das kleine Paradies was ich von meinem Goldanteil für uns gekauft hatte. Eine traumhafte Mischung zwischen Natur und moderner Technik. Von viel Licht durchflutete Bäume umgaben ein Haus. Etwa 100 Meter entfernt ein kleiner See. Als ich sie durch das Haus führte und sie sich langsam mit den modernen Geräten und der Einrichtung vertraut machte konnte ich ein lächeln nicht unterdrücken.
Im Wohnzimmer schaute sie erstaunt durch die komplett gläserne Wand hinaus in unseren Wintergarten. Der Boden war aus normalem Gras und Erde durch die eine Hand voll winziger Bäume sprossen. „In zwei Jahren überstehen sie draußen problemlos den Winter. Bis dahin bleiben sie hier.“ Ich hatte kapiert. Die Gräber waren die winzigen Bäume direkt über der Höhle auf einer kleinen Lichtung gewesen. Ein lebendes Andenken an die Verstorbenen. Die Bäume waren zwar zerstört, aber das heißt nicht, dass nicht irgendetwas leben kann.

Sie lehnte sich an mich, stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte einen Kuss auf meine Lippen. Erstaunt sah ich sie an. ,,Mama sagte einmal zu mir: Wenn du jemanden findest den du mehr magst als alle anderen, zeigst du ihm das so.“

(c) Nadine Markowitz

[Story] Unsere Strafe

Die Idee zu dieser Geschichte stammt von meinem besten Freund. Er hat mich auf die Idee zu diesem völlig anderen Genre gebracht und wichtige Punkte der Geschichte beigesteuert.

Meine Schulzeit
Eigentlich hatte ich mich in der Schule immer wohl gefühlt. Wann sich das änderte weiß ich nicht mehr genau. Es war ein so schleichender Vorgang das es bereits zu spät war, als es mir letztendlich auffiel.
Ich habe nie jemandem etwas getan. War immer höflich und bemüht Streitereien aus dem Weg zu gehen. Vielleicht war letztendlich das der Faktor der dazu führte das es dazu kam und ich nach und nach von fUnast allen Personen aus meiner Klasse gemobbt wurde.
Am Anfang war es nur vereinzelt. ,,Ey spielen wir hier das Schweigen der Lämmer oder warum bekommst du die Zähne nicht auseinander?“ ,,Bist du so ein meinungsloser Schlappschwanz oder tust du nur so?“ Nach und nach wurde es mehr und da ich nichts dagegen unternahm wurde es eher schlimmer als besser.
Am schlimmsten waren John und Nicole. Sie waren die einzigen die es aus unserer Klasse geschafft hatten bereits in so jungen Jahren zusammen zu kommen und über die komplette Gymnasialzeit auf unserer Schule zusammen zu bleiben. Beide waren beliebt und als Team hatten sie so ziemlich die gesamte Klasse, fast schon die ganze Schule, die ihnen nahezu hörig war auf ihrer Seite.
Vielleicht war ich zu sensibel für die Klasse. Vielleicht war dies und nichts anderes mein Problem. Doch auch wenn sicher viele Menschen gemobbt wurden und werden, ähnelt doch kein Mobbing dem anderen. Und da damals niemand in meiner Haut steckte soll sich bitte niemand herausnehmen mich zu verurteilen. Seid gewarnt wenn ihr es dennoch tut!
An den Tag an dem es ausartete erinnere ich mich noch genau. Es war mein Geburtstag und wir waren in der Klasse zum Matheunterricht. Wie immer war ich bemüht nicht auf mich aufmerksam zu machen um das Mobbing nicht zu verschlimmern. Wir wollten gerade mit dem Unterricht beginnen als dem Lehrer etwas auffiel.
,,Marcel hast du heute Geburtstag?“ Alle Blicke richteten sich auf mich. Errötend, ertappt nickte ich. ,,Ich glaube da ist ein Lied fällig. 1,2,3…“ Mein Blick traf für den Bruchteil von Sekunden den von John und in dem Moment war mir klar das dieser Tag nicht angenehm werden würde. Das Lied schien ewig zu dauern und die Blicke die mir den restlichen Schultag folgten troffen vor hohn.
Nach dem Unterricht ging ich im Eiltempo vom Schulgelände zu meinem Fahrrad. Doch bereits auf halber Strecke hörte ich die Rufe hinter mir. ,,Happy birthday to you, happy Birthday to you…“ Wut stieg in mir auf, aber ich versuchte es zu ignorieren. ,,Hey Marcy, komm zieh die Hose runter ich hab ein Geschenk für dich. Einen ordentlichen Fußtritt.“
Nun war meine Wut über der Grenze und zum ersten Mal in meinem Leben stellte ich mich John und den anderen. ,,Was willst du von mir? Lass mich in Ruhe!“ ,,Oh, der kleine kann ja doch sprechen. Lernst es wohl spät was? Kein Wunder wirst ja vermutlich immer noch an der Brust genährt.“ Der Überraschungsmoment war auf meiner Seite, als ich mich umdrehte und John mit aller Kraft ins Gesicht schlug. Erst überraschtes Schweigen, doch rasch setzte das altbekannte Rudelgejaule ein und ein Kreis bildete sich um mich. John und zwei seiner besseren Kumpel begannen mich zu schlagen während mich der gebildete Kreis wenn ich nach hinten wich oder stolperte immer wieder in die Mitte des Kreises stießen. Nach kurzer Zeit war eines meiner Augen zugeschwollen und ich nahm kaum noch etwas wahr. Ich landete wohl einen Glückstreffer, der allerdings nur dazu führte das sie ihre Strategie wechselten und mich nun zu zweit festhielten während John munter einen Schlag nach dem anderen auf mich niederprasseln ließ bis ich irgendwann das Bewusstsein verlor.

Fünf Jahre später
Während John und ich so durch die Straßen der Stadt spazierten sagten wir kein Wort. Das war nicht ungewöhnlich. Wir genossen das Schweigen und die Gesellschaft des anderen. Das war nicht immer so gewesen. Während unserer Schulzeit hatten wir eine ganz große Klappe. Und wir waren Stolz darauf. Schlagfertig, cool und beliebt. Und da wir das alles waren, waren wir natürlich auch immer im Recht. Dachten wir zumindest. Doch jeder wird mal erwachsen. Und das Gefühl cool zu sein wurde nach und nach zu einem großen Schamgefühl, was dafür sorgte das mir mein Verhalten von damals inzwischen sehr peinlich ist, abgelöst. Erstaunlich wie man sich charakterlich so sehr verändern kann und trotzdem noch genauso gut so der Person, in die man sich einst verliebt hat, zu passen wie damals. Der coole John, der Hengst von damals, der jedem Hintern hinterher gesehen hatte und der während unserer Beziehung immer cool, distanziert und eher kalt gewirkt hatte, war inzwischen zu einer Person geworden die sehr anhänglich war. Sowohl der Vorschlag des Zusammenziehens als auch der Heiratsantrag waren –freiwillig!- von ihm gekommen. Und heute, als wir gemeinsam die Stadt nach Hochzeitsringen durchstöberten war mein Glück perfekt. 

Wir hatten bei einem teuren Juwelier einen wunderschönen Ring ausgesucht und vorbestellt. Am liebsten hätte ich ihn bereits sofort mitgenommen, aber wir waren beide noch Studenten in Fachrichtung Medizin und deshalb chronisch knapp bei Kasse.
Wir gingen ein paar Minuten Händchen haltend durch die dunkler werdenden Straßen der Stadt. Irgendwann hielt John an und drehte mich so dass ich ihn direkt ansah. Besser gesagt das ich, mit seinen 1,90meter Körpergröße, zu ihm hinaufsehen musste. Sanft strich er mir eine Strähne meiner langen roten Haare aus dem Gesicht bevor er mich sanft auf den Mund küsste. ,,Ich liebe dich!“, flüsterte er mir sanft ins Ohr. Errötend schmiegte ich mich an ihn. Plötzlich spürte ich einen starken Schmerz, beinah als würde mein Kopf bersten, dann wurde mir schwarz vor Augen und ich sank zu Boden.

Gefangen
Das erste was ich spürte während ich langsam wieder zu mir kam, war der stechende Schmerz in meinem Kopf. Die Augen fest geschlossen und den Kopf auf dem kalten Boden lassend, legte ich eine meiner Hände über den Kopf. Das grausige Schwindelgefühl ebbte nur sehr langsam ab bis ich mich irgendwann überwand und die Augen öffnete. Es dauerte eine Weile bis sich meine Augen an die Dunkelheit des Raumes gewöhnt hatten und ich die Umgebung langsam wahrnehmen konnte. Es war ein kleiner, fensterloser Kellerraum mit aus grauem Stein bestehenden Wänden und einer vergitterten Front. Schwerfällig setzte ich mich auf und berührte dabei irgendetwas hartes, kaltes. Ich hob es in Sichtweite und meine, noch etwas verschwommen sehenden, Augen in der Lage waren es zu identifizieren. Ein Skelettstück. Ich schrie erstickt auf und warf es schnell weit weg.
Von meinem Schrei aufwachend, setzte sich nun auch John auf und blickte sich um. ,,Wo sind wir?“, fragte er matt. Ich wollte schon meinen Kopf schütteln, ließ es von einem plötzlichen Schmerz durchzuckt werdenden dann aber und flüsterte nur: ,,Keine Ahnung.“
Plötzlich ertönte ein Schrei der uns beide zusammenzucken ließ. Dann ein weiterer. ,,Was ist das?“, fragte ich zitternd, mit unnatürlich hoher Stimme, erwartete jedoch keine Antwort. Ein anderes Geräusch gesellte sich zu den schreien. Es klang nach einem Bohrer. Ich krabbelte so schnell ich konnte zu John und vergrub mich, mir die Ohren zuhaltend, in seinen Armen während die Schreie so laut und verzweifelt wurden wie ich sie noch nie in meinem Leben erlebt hatte. ,,Bitte sag mir das ich mir das einbilde, bitte sag mir das dort oben nicht passiert was ich denke, bitte!“ Mein Herz raste. In Zusammenhang mit meinen angeschlagenen Kopf sorgte das dafür, dass mir schwindelig und schlecht wurde. Ich übergab mich.
Mehrere Minuten ging das so. Der Bohrer war irgendwann nicht mehr zu hören, dafür kamen nun aber zu den Schreien, verzweifelte bitten um Gnade und immer wieder ein und dieselbe Frage: ,,Warum tust du mir das an?“
Panisch stand John auf und tastete in der Finsternis unserer Zelle die Wände ab. Immer wieder leise vor sich hin fluchend. ,,Bitte Johnny, ich will hier raus. Bitte! Was tut dieser Verrückte dort oben? Was wenn wir die nächsten sind? Wir müssen hier raus!“, schluchzte ich leise. ,,Verdammt!“, fluchte John und schlug gegen die Wand, die wundersamer Weise nachgab und ein etwa faustgroßes Loch zurückließ.
Verblüfft von der Wirkung seines Schlages war unsere Panik für einen Moment vergessen. Mit vereinten Kräften zogen und zerrten wir an dem Loch und brachen nach und nach Teile der Wand hinaus bis das Loch groß und wir verstaubt genug waren um hindurch zu passen. Die abgestandene Luft des Hohlraumes ließ mich würgen und während wir uns Schritt für Schritt durch den engen Gang kämpften hörte ich John gequält stöhnen. Mitleidig legte ich ihm eine Hand auf den Rücken. Eine seiner wenigen Schwächen, seine Platzangst, machte sich bemerkbar. ,,Keine Sorge, wir sind bestimmt gleich draußen.“, unterdrückte meine eigene Angst um ihn zu beruhigen. ,,Hier geht es nicht weiter.“, flüsterte er mit bemüht ruhiger Stimme. Ich drängte mich neben ihn, was den Platz für ihn noch mehr reduzierte und tastete an der Wand entlang. ,,Lass uns zurück, bitte!“, flehte er leise und zog leicht an meinem Shirt.
,,Das ist unlogisch… wozu einen Geheimgang anlegen, wenn er nirgends hinführt?“ Es dauerte lange, doch nach etwa zwanzig Minuten fanden wir einen kleinen Schalter und ruckartig drehte sich die komplette Wand und riss uns mit sich in einen bisher versteckten Raum.
Durch die plötzliche Bewegung der Wand gefallen, rappelten wir uns nun wieder auf und sahen uns um. Während ich mich umsah wurde ich erst erstaunt, dann sprachlos, entsetzt und letztlich richtig panisch. Mehr und mehr verstand, was das für ein Raum war. Wozu er diente. Ein Folterraum. Mit Fesseln an den Wänden, einem großen, eisernen Tisch mit Fesseln in der Mitte des Raumes und Unmengen von Foltergegenständen die an den Wänden hingen und in kleinen, schiebbaren, transportierbaren Wagen lagen. Als ob das alles nicht schon schlimm genug wäre, war alles mit Blutflecken beschmiert. ,,Nicole? Nicky? NICKY! Pass auf, du hyperventilierst. Du kippst gleich noch um und dass können wir gerade gar nicht brauchen.“ Ich wimmerte. ,,Ich…ich…ich versuchs ja, aber…aber…“ Sanft schloss er mich in seine Arme. ,,Atme… ganz ruhig… wie ich… ein und aus, ein und aus…“ Als ich mich endlich etwas beruhigt hatte, sagte er ruhig: ,,Ich durchsuche jetzt den Raum. Bleib am Besten hier und sieh dich nicht zu genau um Schatz.“ Käsig schüttelte ich den Kopf. ,,Nein, ich helfe dir. Zu zweit haben wir bessere Chancen etwas zu finden was uns hilft zu verstehen was hier vor sich geht.“ Mit zitternden Knien durchsuchten wir schnell den kleinen Raum. In einer Ecke sah ich etwas auf den Boden liegen und ging darauf zu. ,,DAS hilft uns nicht, sieh nicht hin.“ Typisch ich, sah ich nun natürlich erstrecht hin. Hoden, zwei an der Zahl in einer milchig weißen Flüssigkeit. Ich würgte und wich schnell zurück. ,,Jupp, das hilft nur an dir.“, sagte ich in einem hysterischen Anfall von Humor. ,,Wir…“, doch bevor ich Weitersprechen konnte unterbrach John mich. ,,Still, ich höre etwas!“ Ich lauschte. Tatsächlich, da waren Schritte zu hören die scheinbar auf uns zukamen. ,,Schnell zurück zur Drehtür.“, flüsterte John mir zu. Hektisch suchte ich nach dem Hebel um die Tür ein weiteres Mal zu öffnen. ,,Beeil dich!“, drängte John. Endlich fand ich den Hebel und legte ihn um. Keine Sekunde zu früh, den gerade als wir durch die Tür verschwanden, sahen wir noch wie sich die Tür zum Folterraum öffnete und ein Mann einen zweiten, bewusstlos wirkenden, hinein schliff.
Eng zusammengedrängt standen wir nun wieder in dem kleinen, schmalen Hohlraum hinter der Drehtür. ,,Lass uns zurückgehen“, flüsterte John. ,,Ich kann nicht zurück in die Zelle. Ich kann nicht.“, wimmerte ich. Ich sah wie er mit sich und seiner Platzangst rang und bekam ein schlechtes Gewissen. Ich wusste er würde mich nicht allein hier zurücklassen und ich wusste wie sehr ihn die beengte Umgebung quälte. Dennoch konnte ich mich nicht überwinden in die Zelle zurückzukehren. Zum Ausgangspunkt des Horrors wo ich mich so schrecklich ausgeliefert fühlte. Er blickte mir einen Augenblick tief in die Augen, dann nickte er und zog mich in seine Arme. ,,In Ordnung.“ Dankbar schmiegte ich mich fest an ihn und schloss kurz die Augen. Leise schlich ich ein paar Meter vor und schaute vorsichtig durch den schmalen Spalt durch den man noch etwas sehen konnte. Der Mann hatte sein Opfer inzwischen auf den Tisch gewuchtet, mit Fesseln versehen und war nun damit beschäftigt eine Spritze in seine Ader am Arm zu stecken und an diese einen Tropf anzuschließen.
Leise schlich ich wieder zurück in den Gang in dem John inzwischen schwer atmend mit geschlossenen Augen an der Wand lehnte. ,,Alles in Ordnung? Johnny?“ Plötzlich setzten Schreie ein. John, der durch seine Platzangst sosehr in seiner Panik gefangen war, blieb reglos stehen und schien nicht ein Wort wahrzunehmen. Am liebsten wäre ich in seine Arme geflohen und hätte mir fest die Ohren zugehalten, doch ich wusste John ging es nicht gut. Im Moment musste ich stark für uns beide sein. Sanft nahm ich seine Hand und zog ihn den Gang entlang zurück zu unserer Zelle. Ich atmete mehrmals tief durch als mich die Panik zu überwältigen drohte. Reiß dich zusammen, ihr seid zurzeit überall hier in Gefahr. Nicht nur hier, sagte ich streng zu mir selbst und zog John zu einer Ecke der Zelle in der ich ihn sanft auf den Boden drückte. Die Schreie waren noch immer laut zu hören, dass mir beinah schlecht wurde. ,,John? John, alles ist gut, wir sind hier aus dem Gang raus. Keine Angst.“ Zusammengekauert saß er auf dem Boden und wiegte sich leicht vor und zurück. Sanft schmiegte ich mich an ihn und legte meine Hände über seine Ohren. Nach ein paar Minuten hatte er sich wieder soweit im Griff das er die Augen öffnete und mich ansah. ,,Danke.“, flüsterte er leise. Die Schreie klangen ab. ,,Johnny… vielleicht ist er oben fort. Vielleicht… ist die Tür nicht abgeschlossen.“ Ich wollte es nicht aussprechen, doch ihm war klar worauf ich hinaus wollte. Wenn wir eine Chance haben wollten zu entkommen, mussten wir erneut durch den Gang zur Folterkammer. Mit weißem Gesicht nickte er. ,,Ich verstehe.“ Sanft nahm ich ihn noch einmal in meine Arme und strich ihm zärtlich die lange schwarze Strähne vom Auge weg, die immer wieder zurückfiel und die ich so sehr an ihm liebte. Er raffte sich auf, atmete einmal tief durch und krabbelte erneut durch das Loch in den Gang. Schnell folgte ich ihm und wir eilten so schnell und leise wir konnten zurück. Tatsächlich war der Folterraum, bis auf die auf dem Tisch gefesselte Gestalt, leer.
,,Sieh nicht hin.“, sagte John. Und bevor ich erneut hinsehen und in Panik geraten konnte, zog er mich am Arm weiter durch die, glücklicherweise nicht abgeschlossene, Tür. Wir rannten so schnell wir konnten den Flur entlang. ,,Wo lang? Wo lang?“, keuchte ich panisch. ,,Weiter. Schnell weiter. Wir müssen eine Tür finden. Ein Fenster. Irgendeinen Weg nach draußen!“
Schnell fanden wir die Eingangstür. Verschlossen. ,,Scheiße!“, wimmerte ich. ,,Scheiße, scheiße, scheiße.“ ,,Zwecklos zu jammern. Weiter!“ Es kostete mich viel Kraft mich von der Hoffnung auf eine schnelle Flucht zu trennen und vorerst im Haus zu bleiben. Doch John ließ mich nicht lange stehen. ,,Weiter!“, flüsterte er drängend. Wir rannten die Treppen hoch in die nächste Etage und den dortigen Flur entlang. Dieser hatte drei Türen. ,,Schau du im ersten Zimmer nach, ich übernehme das mittlere.“ Wortlos rannte ich in das erste Zimmer. Ein winziges, altes Badezimmer. Fensterlos. Schnell rannte ich zurück in den Flur. ,,John?“ ,,Ein Gästezimmer. Ein großes Fenster. Aber abgeschlossen und Metallgitter. Nichts zu machen.“ Traurig nickte ich und wir rannten gemeinsam in das dritte Zimmer. Dieses schien ein Arbeitszimmer zu sein. Ich wollte mich schon enttäuscht umdrehen und wieder aus dem Zimmer verschwinden, als John sagte: ,,Nicky. Schau mal.“ Seine Stimme klang irgendwie komisch. Tonlos. Ich drehte mich um und eilte zu ihm. Wortlos zeigte er auf einen kleinen Zettel der neben einem ramponiert wirkenden Laptop lag.

Der Plan unseres Opfers
Ich näherte mich mit meinem Kopf dem Zettel um ihn besser lesen zu können. In einem unnatürlichen Rotton – Blut? – stand dort darauf geschrieben: Ich werde sie alle finden und mich rächen.
Geschockt von dem geschriebenen, bemerken wir die Geräusche des sich drehenden Schlosses erst als es bereits fast zu spät ist und können und nur noch in letzter Sekunde hinter dem Schreibtisch verstecken. Die Tür öffnet sich kurz und ein großer, kräftiger Mann von ungefähr fünfundzwanzig Jahren schaute in das Zimmer. Atemlos blieben wir still hinter dem Schreibtisch sitzen und glücklicherweise schloss er wieder den Raum und ließ uns allein zurück. ,,Wir müssen zurück. Was und warum auch immer hier vor sich geht. Wir müssen hier raus und wer weiß wann wir wieder die Chance haben zu verschwinden.“ Mutlos nickte ich und wir verschwanden schnell aus dem Zimmer. ,,Wohin?“, fragte John mich. ,,Von der zweiten Etage können wir nicht springen. Lass uns zurück, vielleicht finden wir durch den Folterraum einen anderen Ausgang.“ Wir schlichen schnell zurück und durch den Folterraum. ,,Warte.“, sagte ich verwundert und erschrocken zugleich. Ich hatte mir Mühe gegeben nicht den Mann anzusehen der dort gefesselt auf dem Eisentisch lag. Dennoch hatte ich nicht widerstehen können und so fielen mir nun zwei Dinge auf. Erstens war der Mann auf dem Tisch nicht der der vor wenigen Minuten noch dort gefesselt gelegen hatte sondern ihr ehemaliger Mitschüler und oftmaliges Mobbingopfer Marcel und zweitens war er Tod.
,,Johnny, ich… will aus diesem Zimmer.“ ,,Ich weiß… aber, dieser Raum ist unsere einzige Chance. Ich weiß es. Ich hab es im Gefühl!“ Ich nickte und begann gemeinsam mit John zu suchen. Und unsere unangenehme Atmosphäre wurde sehr früh belohnt und wir fanden fast schon sofort die beinah unsichtbare Luke unter dem Foltertisch. Schnell hinein und hinunter. ,,Hier ist nichts. Auch hier ist nichts. Wir können nicht entkommen. Wieder fensterlos. Ausweglos. Das hier war unsere letzte Chance. Wir sind verloren. Wir..“ Ich war hysterisch geworden. Schrecklich laut. Viel zu laut doch ich konnte es nicht verhindern. Und so war ich für John kräftige Ohrfeige anstatt wütend sogar richtig dankbar. ,,Wir durchsuchen das Zimmer. Es gibt immer einen Ausweg und wir werden ihn verdammt noch mal finden!“ Tapfer nickte ich und begann gemeinsam mit ihm zu suchen. Eine Schublade nach der anderen. Ein Regal nach dem anderen, bis… ,,Ha!“, stieß er einen kurzen Erfolgslaut aus. ,,Hier haben wir ihn. Den Schlüsselbund. Da ist doch garantiert der den wir brauchen bei Süße!“ Erleichtert nickte ich. ,,Lass uns verschwinden. Schnell!“ ,,Nein, warte! Da steht Marcels Name drauf auf diesem Buch da.“ Erstaunt öffnete ich das Buch, öffnete es etwa in der Mitte und laß.

Tagebuch von Marcel
1.September 1999, Heute geht mein Medizinstudium los und ich kam in meine neue Klasse in der ich zwei ausgesprochen interessante Typen kennen gelernt habe.
2.September 1999, Ich fand heraus, dass diese Jungs genau wie ich damals schlimm gemobbt worden waren.
5.September 1999, Sie heißen Jack und Freddy und sind voll okay. Ich glaube wir könnten Freunde werden.
10.September 1999, Seit Tagen reift ein Plan in mir heran mich an meinen Mobbern von damals zu rächen. Ich versuche Jack und Freddy zu überreden mir zu helfen.
11.September 1999, Ich konnte sie endlich überzeugen mir bei meinem Plan zu helfen.

Ich unterbrach das lesen des Tagebuches als ich über viele Seiten hinweg nur noch einzelne Stücke des Planes las. Und schlug aufs geratewohl ein aktuelleres Datum auf.

12.August 2004, Es hat so lange gedauert. Aber endlich ist unser Plan restlos fertig und bereit zur Ausführung. Wir haben einen Raum zum foltern, haben lange Recherchiert wo die Mobber sich oft aufhalten und wie wir sie möglichst unauffällig verschwinden lassen können. Wir werden nachher die ersten entführen und bestrafen.
14.August 2004, Wir haben uns an den ersten Personen gerächt. Es waren ein Mann und eine Frau. Wir haben die Frau an die Wand gehängt und zugucken lassen wie wir den Mann immer weiter aufgeschnitten haben und langsam verbluten lassen haben. Danach haben wir die Frau vergewaltigt und ebenfalls ermordet.
15.Augst 2004, Wir haben die Leichen in den Keller geworfen. Was für eine Genugtuung zu wissen das sie endlich ihre gerechte Strafe bekommen haben. Den Tod.
16.August 2004, Wir haben weitere zwei Personen gefangen nehmen können. Freddys Opfer sind nun alle beseitigt.
19.August 2004, Wir haben weitere fünf Person getötet. Haben ihnen langsam und grausam die Gliedmaßen einzeln abgetrennt. Somit sind auch Jacks Mobber alle tot.
21.August 2004, Wir haben die ersten zwei aus meiner Klasse gefangen genommen und getötet. Jetzt bekomme endlich auch ich was mir zusteht. Meine Rache!
23.August 2004, Wir haben die schlimmsten meiner Mobbergruppe gefangen genommen. Sie werden besonders langsam und grausam sterben.
24.August 2004, Meine Kumpel verhalten sich merkwürdig. Ich glaube sie wollen sich stellen.
25.August 2004 Ich glaube ich hab nicht mehr lange zu leben. Ich habe Angst aber will nicht ohne meine Rache fortlaufen.

Geschockt blickte ich zu John der mich völlig erschüttert ansah. ,,Ich meine…“, stotterte ich. ,,Ich weiß ja wir haben damals schlimmen mist gemacht und vielen wehgetan, aber… haben wir das verdient?“ ,,Ich…“, flüsterte er ohne selbst zu merken das er sprach. ,,Hier… ist noch etwas.“ Er nahm einen kleinen Zettel und las laut vor:

Wir haben keinen bock mehr uns von Marcel manipulieren zu lassen. Wir werden uns nicht mehr hirnlos von ihm beeinflussen lassen. Wenn er und die letzten aus dem Keller getötet sind haben wir endlich unser Leben zurück.

,,W…wir sind gemeint.“, stotterte ich panisch. ,,Ja. Was nun? Wir schaffen es niemals ohne zu wissen welcher dieser vielen Schlüssel der Richtige ist in der kurzen Zeit unbemerkt aus dem Haus.“ ,,Dann müssen wir nachts verschwinden. Wenn die Bekloppten schlafen und uns nicht suchen.“ Ich atmete tief durch. ,,Ich will hier sofort raus.“, jammerte ich mit zitternder Stimme. ,,Nur noch ein bisschen. Halte durch.“ Wir hörten eine laute Stimme. ,,Wo sind sie?“ ,,Ich weiß nicht. Aber weit können sie nicht sein!“ Kalkweiß sah ich John an. Was nun? , formte ich tonlos mit den Lippen. Schnell griff er nach meinem Arm und zog mich mit sich, durch die Klappe, durch die Folterkammer und in den schmalen Geheimgang hinein. ,,Ich finde euch, ihr habt keinen Ausweg!“, hörten wir einen der beiden Männer schadenfroh rufen. Ich wusste das John unser Versteck beinah mehr zu schaffen machte als die Verfolgung durch diese Verrückten und so fasste ich einen Entschluss. ,,John, wir müssen es versuchen. Sie werden nicht schlafen gehen bevor sie uns gefunden haben und sie werden keine Tür offen lassen. Wir müssen versuchen sie zu überwältigen.“, das alles kam zwar über meine Lippen, aber so tonlos und unsicher, dass klar war wie sehr ich mich selbst fürchtete und wie sehr ich mir wünschte das es eine andere Möglichkeit gäbe. Er nickte. ,,Auf drei.“ ,flüsterte er leise.
Ich nickte. Bei drei liefen wir beide so schnell und leise wie es uns möglich war zur Haustür zurück und während ich panisch einen Schlüssel nach dem anderen ausprobierte, stand John still daneben. Ich sah ihm an was für eine Qual es war, warten und hoffen zu müssen anstatt selbst etwas tun zu können und so betete ich inständig diese Situation schnell hinter uns zu lassen. ,,Da seid ihr ja.“, hörten wir plötzlich eine schadenfrohe Stimme hinter uns.

Unsere Strafe
,,Oh wie schön das wir euch doch noch gefunden haben. Wir haben ein sehr… interessantes Abendprogramm und würden uns freuen wenn ihr uns Gesellschaft leisten könntet.“ Ich wich zitternd zu John zurück der sich sofort schützend vor mich schob. ,,Vergesst es! Kein Interesse!“, sagte John so kalt und ruhig wie zumindest ich mich garantiert nicht fühlte. ,,Ach komm schon, sei doch kein Spielverderber!“, sagte der größere der beiden und kam auf John zu. Innerhalb weniger Sekunden hatte er John im Schwitzkasten. Er kämpfte verbissen, war jedoch chancenlos. Vor Angst wie gelähmt beobachtete ich, wie er es einige Sekunden auskostete John so unter seiner Kontrolle zu haben. Er drehte seinen Arm nach hinten bis er schrie und drückte ihm die Luft ab, während er mit ganz ruhiger Stimme erklärte wie enttäuscht die beiden wären wenn wir die Party vorzeitig verlassen würden. Dann verpasste er ihm einen groben Schlag in den Hals der John sofort bewusstlos zu Boden gehen ließ. Das riss mich endlich aus meiner Schockstarre und ich rannte zu ihm. ,,John, John!“, wimmerte ich zitternd vor Angst. ,,Bitte, sag das du okay bist. Bitte!“ Der Mann griff mich mit einer Hand und zerrte mich grob zurück in das Zimmer mit den Folterinstrumenten. Inzwischen war ich panisch. Richtig hysterisch. Ich schrie um Hilfe. Bettelte, weinte, trat, spukte und biss. Doch nichts half. Es brachte mir ein paar mitleidige Lacher ein, während sie mich grob an die Fesseln der Wand ketteten, die so hoch hingen das kaum meine Beine noch den Boden berührten. ,,Du magst es also Schwächere zu verhöhnen? Wir werden dir zeigen wie es ist wenn man sich nicht wehren kann. Sie gut zu was wir mit deinem Freund machen werden, den auf dich wartet die selbe Behandlung. Vielleicht… sogar noch etwas mehr.“, murmelte er die letzten Worte mit einem grausig perversen unterton und schob seine Hand unter mein Shirt und berührte kurz aber intensiv eine Brust von mir. Ich wimmerte zitternd während er leise murmelte: ,,Wir werden dir schon zeigen wie es ist völlig hilflos, völlig ausgeliefert zu sein.“ Das waren seine letzten Worte bevor er verschwand, wenige Minuten später John grob an den Beinen hineinzog, auf den Eisentisch warf, auszog und fesselte. Dannach verschwand er ohne ein Wort und ließ mich mit einem splitterfasernackten, verletzten und ohnmächtigen John zurück. ,,Bitte, bitte komm zu dir. Ich brauche dich so sehr.“, wimmerte ich zitternd. Meine Hände brannten wie Feuer. Da ich durch meine geringe Körpergröße meine Arme nicht weit genug strecken konnte, schnitten mir die Fesseln Erbarmungslos ins Fleisch. Während der Stunden in denen ich allein mit meinen Gedanken in diesem Raum war, malte ich mir in allen Einzelheiten aus, was hier alles geschehen könnte. Ich wollte es mir nicht ausmalen und dennoch konnte ich nicht anders und ließ die Bilder an mir vorbeiziehen während ich die metallischen Gegenstände betrachtete.

Es dauerte Stunden, zumindest vermute ich das, bis jemand erneut den Raum betrat. Es war der schmächtigere der zwei Personen. Wortlos ging er zu John und setzte ihn mit einer Nadel einen Zugang. ,,Lassen sie ihn in Ruhe, aufhören!“, fuhr ich den jungen Mann mutiger als ich mich fühlte –da ich mich überhaupt nicht mutig fühlte- an. Doch es brachte nichts. Er ignorierte mich, sosehr ich auch schimpfte und fluchte.
Er hängte ihm einen Beutel mit einer klaren Flüssigkeit an den Zugang und drehte ihn auf. Bereits nach wenigen Sekunden begann sich John auf dem Tisch zu winden und er leise zu stöhnen. ,,Aufwachen!“, fuhr der Mann Johnny kalt an und schlug ihm fest in den Magen. John schlug die Augen auf und drehte sich so weit er konnte auf die Seite und erbrach sich. Der Mann wartete in Ruhe ab, bis John alles aus seinem Magen rausgeholt hatte, was dieser hergab und zog dann die Fesseln so straf, das er sich nicht einen Zentimeter bewegen konnte. John ließ den Kopf zitternd auf den Eisentisch sinken. ,,Johnny!“, schluchzte ich besorgt. Er war kalkweiß. Das Mittel was der Mann ihm spritzte schien ihm überhaupt nicht gut zu tun. Als John endlich wach genug war seine Umgebung wahrzunehmen, flüsterte er leise meinen Namen. ,,Guten Morgen, ich habe mich so darauf gefreut, dass du aufwachst!“, sagte der Mann in einem gefährlich süßen ton. ,,Ich bin Freddy und wir werden sehr viel Spaß miteinander haben!“ Johns Blick traf meinen, kurz zog er testend an seinen Fesseln, bevor er matt die Augen schloss.
,,Was denkst du, womit sollen wir anfangen? Ich habe hier einen sehr schicken Bohrer der wunderbar schnell in die Haut eindringt, eine schicke Ansammlung von Skalpellen… oder sollen wir mit dem Strom anfangen? Was denkst du?“
John blickte stumm und furchtlos in die Augen von Freddy. Dieser nahm, mit einem sehr unheimlichen Lächeln, den Bohrer zur Hand und stellte ihn an. Während er ihn an Johns Unterarm ansetzte, hätte ich alles getan um es zu verhindern. Oder zumindest um mir die Ohren zuhalten zu können. Tränen liefen mir über die Wangen, während Freddy langsam Johns Unterarm durchbohrte. ,,Aufhören, Stopp, stopp. Bitte tu ihm nicht weh!“, schrie ich panisch während mir die Tränen über die Wangen liefen. Endlich hörte der Lärm des Bohrers und Johns gepeinigten Schreie auf und ich öffnete die Augen. Ein kurzer Blick auf John zeigte einen Jungen mit blutig gebissener Lippe, kalkweißem Gesicht und Blutspritzern, die über seinen ganzen Körper verteilt waren. ,,Johnny“, flüsterte ich mit tränenerstickter Stimme. Wir beide beobachteten stumm wie Freddy mit einer ärztlichen Sorgfalt , die mich unter anderen Umständen hätte staunen lassen, ein Skalpell aussuchte und damit einen kleinen Schnitt in Johns Oberarm machte. John zuckte kurz zusammen, blieb jedoch still und hielt seinen Blick fest auf mich gerichtet.
In den nächsten Stunden wurde er auf alle möglichen Arten gefoltert. Freddy schlug ihm mit einer Eisenstange grob in den Magen und brach ihm grob den, bis dahin unversehrten, Arm.
Er klebte ihn Elektroden an den ganzen Körper und ließ ihn immer wieder unter Stromschlägen zucken, bis er beinah unmächtig wurde. Manchmal hielt er ihm einfach, aber effektiv, Mund und Nase zu bis John drohte ohnmächtig zu werden oder hielt ihm minutenlang ein Feuerzeug unter die Haut, bis diese rot und teilweise blutig war.
Stumme Tränen liefen über seine Wangen, doch er sah nicht auch nur noch ein einziges Mal hin was Freddy tat, sondern hielt seinen Blick fest auf mich gerichtet. Irgendwann war John, durch die andauernden Schmerzen, so abgedriftet und teilnahmslos, dass er kaum noch reagierte. Irgendwann schien Freddy das keinen Spaß mehr zu machen und wand sich an mich. ,,Na? Wie hat es dir gefallen unserer kleinen Party zuzusehen?“, fragte Freddy mich leise und kam zu mir. John, der bis zu diesem Zeitpunkt teilnahmslos dagelegen hatte, wand sich auf dem Eisentisch und schluchzte mit, vom schreien heiserer Stimme: ,,Lass sie in Ruhe!“ Die Angst, die er bis zu diesem Moment hatte unterdrücken können, war nun deutlich hörbar, während er gequält schimpfte: ,,Du Feigling, du Perverser! Wie kannst du das nur nun? Lass sie in Ruhe, sich an einem wehlosen Mädchen zu vergreifen!“

Die Flucht
Mit einem gefährlichen Lächeln auf den Lippen kam Freddy zu mir und löste meine Fesseln. Grob drückte er mich gegen die Wand und johlte: ,,So, Johnnyboy, schau gut zu!“, sagte Freddy während er sein Knie zwischen meine Beine schob und an meinem Shirt zerrte. Ob es Adrenalin war, der Anblick von John der, inzwischen kaum noch bei Bewusstsein, schutzlos auf dem Tisch lag oder einfach ein Reflex wusste ich nicht. Aber ich trat mit aller Kraft in seine Eier und er sank vor mir zusammen. Sofort griff ich nach der Eisenstange mit der er vorher John den Arm gebrochen hatte und schlug ihm fest auf den Kopf. Freddy sank ohnmächtig zusammen. Einen Augenblick stand ich, von mir selbst erschrocken, da, dann kniete ich mich schnell neben ihn und nahm ihm den Schlüssel ab, mit dem ich in Rekordzeit Johns Ketten entfernte. ,,Kleiner, bitte wir müssen hier weg!“, wimmerte ich als er von seinen Ketten befreit, noch immer bewegungslos dalag und mich ansah. Tränen liefen mir über die Wangen bis ich kaum noch etwas sehen konnte. Mit fahrigen Fingern zog ich so vorsichtig ich konnte den Zugang aus seinem Arm und zog ihn hoch. ,,Bitte, bitte komm jetzt.“, flehte ich. Sanft zog ich ihn in eine sitzende Position und hoch auf die Füße. Hilflos erbrach er sich, doch dann nickte er und wir schwankten gemeinsam, so schnell sein angeschlagener Körper es zuließ, hinaus Richtung Eingangstür. Für einen Moment blieb ich stehen, dann murmelte ich leise: ,,Johnny, bitte warte hier.“, und rannte schnell noch einmal zurück ins Folterzimmer und schnappte mir das, auf den ersten Blick größte, Skalpell was ich fand bevor ich zurücklief. Ich zog, den inzwischen auf den Boden gesunkenen, John wieder auf die Füße und wir schwankten weiter bis wir kurz vor der Haustür Schritte hörten. Erst spielte ich mit dem Gedanken uns zu verstecken, doch dann entschied ich mich dagegen. Ich hatte zwar eine beinah unerträgliche Angst, doch John blutete aus seinem angebohrten Arm wie ein abgestochenes Schwein und schien bereits kurz davor zu sein, ohnmächtig zu werden. Dies war vermutlich unsere letzte Chance zu fliehen. Schnell griff ich mir den Schlüssel und fummelte im Schloss herum, fand jedoch nicht auf Anhieb den richtigen Schlüssel und dann stand der Riese von Mann, der uns am Anfang überwältigt hatte vor uns. Am ganzen Leib zitternd schob ich mich vor John der durch den Blutverlust unfähig war noch länger zu stehen und auf den Boden sank. Drohend zog ich das Skalpell. ,,Komm uns nicht zu nahe, oder du wirst es bereuen!“, sagte ich mit einer Ruhe in der Stimme die mich selbst überraschte. Aber John hatte einfach keine Kraft mehr sich zu wehren, also musste ich stark sein. Ganz simpel. Er grinste mich an. ,,Zuckerstute, du hast doch gar nicht den Mumm das Skalpell zu benutzen.“ ,sagte er spöttisch und ging an mir vorbei auf John zu. ,,Lass ihn in Ruhe!“, sagte ich. Er griff fest nach Johns Oberarm und zog ihn hoch. John schrie, da es sein gebrochener Arm war. ,,Lass ihn!“, wiederholte ich panisch. Doch er ignorierte mich und zerrte John erneut Richtung Folterzimmer. Ich umgriff das Skalpell mit beiden, inzwischen sehr ruhigen, Händen, folgte ihm lautlos und stach ihm mit aller Kraft in den Hals. Einmal. Zweimal. Dreimal. Wie in Trance stach ich immer wieder zu. Alle Angst entlud sich in diesem einen Angriff bis er auf den Boden sank und reglos in einer Blutlache liegen blieb.
Ich griff, beinah schon, entspannt den Schüsselbund, fand endlich den richtigen Schlüssel, schloss auf und zog John sanft auf die Füße und aus dem Haus.

Abspann
Ich rief einen Krankenwagen. Nach Stunden im Operationssaal wurde John endlich wieder hinausgeschoben. Ich hielt während der ganzen Nacht seine Hand, bis er irgendwann aufwachte. Erst als er mich ansah und unsere Blicke uns trafen begann ich beinah haltlos zu zittern und mein Schock langsam abzuebben. Sanft griff er nach meiner Hand und flüsterte leise, dass alles gut werden würde. Ich nickte. Ich wusste er hatte Recht, die Polizei hatte den letzten noch lebenden Entführer bereits eingesperrt und mich, während John im OP war, verhört. Die Gefahr war gebannt, niemand wollte uns mehr etwas tun und dennoch dauerte es sehr lange bis ich mich nachts wieder albtraumlos an ihn schmiegen konnte oder auch nur ohne Licht einschlafen konnte. Was wir erlebt hatten in diesem Haus glich einem wahr gewordenen Albtraum und auch wenn das alles schrecklich und die Entführer vermutlich allesamt Verrückt gewesen waren, wusste ich, das auch ich und John damals sehr viele Fehler gemacht hatten. Fehler die wir natürlich nie wieder gut machen konnten, aber genau aus diesem Grund versprachen wir uns nach dieser schrecklichen Gefangenschaft nie wieder etwas zu tun von dem wir von Anfang an wussten das es falsch und verletzend war. 

(c) Nadine Markowitz
(ci) Patrick Becker