Über
die beinah fünf Jahre, die ich nun schon Expeditionen an den
entlegensten und ungewöhnlichsten Orten der Erde leitete, waren mir
solche Kommandos in Fleisch und Blut übergegangen. Niemand, nicht
mal ich, zweifelte meine Autorität an. Von meinen Leuten wurde ich
hinter meinem Rücken Alpha-Rüde genannt. Ein Name den ich offiziell
zu unterbinden versuchte, über den ich mich aber insgeheim freute,
den Alpha-Rüde bedeutete nichts anderes als Boss.
Mit
geübten Bewegungen trug ich mein Gepäck die letzten Meter, legte
sie ab und begann mit dem Aufbau des kleinen Zeltes. Ich hatte mein
eigenes Zelt. Ein Luxus der außer mir niemandem zu teil wurde. Um
keine Zwietracht zu sähen bemühte ich mich zwar möglichst keinen
Unterschied zwischen mir und meinen Leuten zu machen, doch ein
eigenes Zelt – und sei es noch so klein – war für mich eine
Notwendigkeit. Diese Rückzugsmöglichkeit war einfach ein muss. Ein
kleiner Platz an dem ich auch mal erschöpft, schwach oder geknickt
sein durfte.
Als
das Zelt aufgestellt, meine Trinkflasche aufgefüllt und ich
umgezogen war, warf ich einen kurzen Blick über unser Lager. In
rasantem Tempo war das große Gemeinschaftszelt, sowie die kleinen
Bauten für Werkzeug und sonstiges Material und die Kochstelle
aufgebaut worden.
Während ich darauf wartete das sich meine Männer vor seinem Zelt sammelten,
wanderte mein Blick über die Bäume, groß, dick und ineinander
übergreifend, so dass sie schon wenige Meter im Wald jegliches Licht
verschluckten. In der Ferne ragten zwei Felsen auf. Es war eine
kleine Inselkette auf der wir uns befanden. Wobei klein wohl im Auge
des Betrachters liegen mag. Mitten im Meer lag sie. Meinen Recherchen
zufolge musste irgendwo hier eine mehrere hundert Kilo schwere
Goldstatur sein. Wenn wir sie finden würden, würde keiner von uns
je wieder Geldsorgen haben.
Als
die Männer vor mir versammelt waren stöhnte ich innerlich.
Normalerweise war auf sie verlass, doch die Anstrengungen der letzten
Tage hatten deutliche Spuren hinterlassen. Hängende Schultern, tiefe
Augenringe und gereizte Gemüter. Von dem nicht vorhanden sein der
notwendigsten Ausrüstung für eine Erkundung eines unbekannten
Gebietes mal ganz abgesehen.
,,Okay.
Ihr seit Wracks. Allesamt. Essen, schlafen, Morgen um sieben Uhr früh
wieder hier. Pünktlich!“ Heute kein Gewaltmarsch mehr. Nicht für
sie. Die Männer wandten sich erleichtert ab während ich erschöpft
meinen Rucksack schulterte, meine Taschenlampe anschaltete und mich
auf den Weg in den Dschungel machte.
Eine
ganze Weile marschierte ich stur nach Norden. Die Bäume wurden
dichter und selbst mit der Taschenlampe sah ich eher schlecht als
recht den nächsten Meter. Eine Baumwurzel ließ mich stürzen und
meinen Kompass verlieren. Ich leuchtete minutenlang den Boden ab,
vergeblich. Der Kompass war verschwunden. Nach einem letzten
hoffnungsleeren Blick auf den Boden setzte ich mich erneut in
Bewegung. Ich war mir nicht sicher von wo ich gekommen war und wusste
deshalb auch nicht in welche Richtung ich nun ging.
Plötzlich
spürte ich einen stechenden Schmerz in der Wade und fluchte
unterdrückt. Ich blickte zu Boden auf dem ich jedoch nichts als
Dunkelheit sah. Doch das machte nichts. Sowohl das rascheln des
Laubes als auch Schwindel und Übelkeit die mich plötzlich erfassten
sagten mir, dass es eine Schlange gewesen war. Giftig. Ich sank
stöhnend auf den Boden und begann zu zittern. Mir wurde kalt und
zugleich brütend heiß. Magenkrämpfe, ein Schwindelgefühl was mich
gnadenlos zu Boden drückte und würgen ließ und – am schlimmsten
– mein Herz, das wie Feuer brannte und wie ein Presslufthammer,
viel zu schnell, schlug, so dass ich nichts anderes mehr hören
konnte.
Als
ich mir schon sicher war sterben zu müssen, spürte ich eine kühle
Hand auf meiner Stirn. Ich öffnete kraftlos meine Augen und sah ein
junges Mädchen das zu mir hinabsah.
Wer
jetzt an ein die makellosen Sixpack- und 90-60-90-Modells von Tarzan
und co denkt liegt weit daneben. Narben, Kratzer, Dreck und Blut
zierten ihren Körper und die ungebändigte, vor Dreck starre Mähne
ihres Haares. Einen Moment verlor ich mich in ihren tiefbraunen Augen
bevor mich die Realität zurück in ihre Fänge holte.
Hilflos
zitternd erbrach ich mich und presste mir mit aller Kraft eine Hand
auf meine brennende Herzgegend. ,,Hilf mir.“, flehte ich gequält.
Verschwommen sah ich zu wie sie der Schlange mit einem spitzen Stein
den Bauch aufschnitt und eine Blase aus ihrem Körper holte. Dann
zerrte sie mir meinen Rucksack vom Rücken und versuchte ihn zu
öffnen. Inzwischen überstiegen die Schmerzen alles was ich jemals
erlebt hatte und wimmerte unter Tränen: ,,Nimm was immer du willst,
aber bitte hilf mir!“ Mit fahrigen Fingern öffnete ich ihr schnell
den Rucksack bevor ich mich mit geschlossenen Augen wieder
zurücksinken ließ. ,,Bitte, lass mich nicht allein.“, flüsterte
ich leise.
Das
Mädchen blickte mich eine Weile stumm an bevor sie kurzerhand meinen
Rucksack nahm, ihn auf links drehte und alles hinausfallen ließ.
Einen kleinen Erfolgslaut ausstoßend, ergriff sie eine kleine
Holzschale. Sie ließ den Inhalt der Blase in die Schüssel laufen,
schmiss irgendwelches Grünzeug hinterher und zerstampfte alles mit
einem Stein zu einem Brei. Als sie ihn mir einflösste krümmte ich
mich und versuchte ihn auszuspucken. Doch mit bloßer Gewalt hielt
sie mir den Mund und die Nase zu bis ich widerwillig schluckte. Was
auch immer sie mir zusammengemischt hatte, es zeigte Wirkung. Meine
Schmerzen ließen nach und ich sank in einen tiefen Schlaf.
Als
ich wieder erwachte war mir eiskalt. Erschöpft schlug ich die Augen
auf und sah mich um. Es war erstaunlich hell. Licht flutete die Bäume
und schaffte ein kleines Paradies der Farben. Ich blickte mich eine
Weile schweigend um. Einige Meter von mir entfernt hockte sie. Durch
meine Bewegung aufmerksam geworden kam sie zu mir und zog mich auf
die Beine. Diese konnte ich nur mit Mühe daran hindern nicht
einzuknicken. Plötzlich stellte ich fest, dass ich völlig nackt
war. Ebenso wie sie. ,,Was ist mit meinen Klamotten?“, keuchte ich
entsetzt. Sie blickte mich verständnislos an bis ich an mir
hinabdeutete. Ihr Blick folgte der Bewegung meiner Hände und
verweilte an einigen Stellen einen Moment länger als nötig gewesen
wäre. Dann deutete sie durchs dichte Gestrüpp. Ich war schon dabei
ihrer Wegangabe zu folgen, als sie nach meinem Arm griff und mich
damit zum stehen brachte. Keine Sekunde zu früh, den, wie ich nun
sah, herrschte keinen Meter weiter eine gähnende leere. Ein sehr
tiefer Abgrund in den ich fast gestürzt wäre. Ich wich erschrocken
einen Schritt zurück. ,,Eine Warnung wäre nett gewesen!“, zickte
ich sie an, während ich in den Abgrund starrte. Dann entdeckte ich
tief unten in der Schlucht einen wage bekannten umriss. Meinen
Rucksack. Meine Kleidung.
,,Bist
du irre? Ich brauche das Zeug doch noch!“, schnauzte ich sie wütend
an. Unbeeindruckt ergriff sie meine Hand und zog mich scheinbar
endlos hinter sich her. Die Giftreste ließen mich immer wieder
taumeln und stürzen doch sie zog mich unerbittlich weiter. Erst als
wir an einen kleinen Teich ankamen, hielt sie kurz an. Sie machte
eine weit ausholende Bewegung, dann deutete sie auf ihre Nase und
letztlich auf mich. Als ich sie nur verständnislos ansah stöhnte
sie leise und schubste mich kurzerhand ins Wasser. Ich beobachtete
wie sie ebenfalls ins Wasser stieg und sich wusch. Ich kam mir zwar
nicht sonderlich dreckig vor, dennoch fügte ich mich in mein
Schicksal und begann mich zu waschen. Sie stieg aus dem Wasser und
begann sich mit einer dicken Schlammschicht einzureiben. Danach war
ich dran bevor sie mich einen großen Baum hinauf zwang. Ich hatte es
längst aufgegeben sie verstehen zu wollen und gehorchte nur wortlos.
Normalerweise war ich gut trainiert und einen Baum hochzuklettern
machte mir nicht viele Probleme, doch als ich nun mit Giftresten im
Blut und splitterfasernackt, ohne Körperschutz den Baum hinauf
musste, ja, da hatte ich gewisse Probleme. Oben angekommen überließ
sie mir einen großen Ast direkt am Hauptstamm auf de man es sich gut
bequem machen konnte und krabbelte selbst ein Stück den Ast entlang
und machte es sich an einer, eher ungemütlich aussehenden, Stelle
bequem.
Meine
Haut juckte und ich fror durch den Schlamm. Dennoch schlief ich durch
die Anstrengungen des Tages schnell ein. Stunden später weckte mich
ein rascheln tief unter uns. Es war noch immer hell und so leicht
auszumachen um was es sich handelte. Tiger! Erschrocken starrte ich
nach unten und wollte schon das Mädchen wecken und warnen als ich
begriff. Sie hatte es gewusst. Deswegen die Kleidung entsorgen, die
so sehr nach Mensch roch. Deswegen den Geruch überdecken. Ich war
beruhigt. Dennoch machten mich die Tiger unter uns so nervös, dass
ich mich fester als nötig an einem Ast festhielt und die restliche
Zeit keinen Schlaf mehr fand. Irgendwann bewegte das Mädchen sich.
,,Aufstehen. Sie sind vorbeigezogen. Ich bringe dich jetzt zu deinen
Leuten zurück.“ Verblüfft sah ich sie an. ,,D,,,du verstehst
mich? Wieso hast du nichts gesagt?“ Doch ich bekam keine Antwort
und nur Schweigen auf meine Frage. Mühsam kletterten wir den Baum
hinab und sie führte mich schnellen, sicheren Schrittes zurück zu
unserem Lager.
Als
mein Lager in Sichtweite kam ließ sie sich zögernd zurückfallen.
,,Was ist? Komm doch.“, sagte ich munter, froh wieder einen
bekannten Ort zu sehen. Sie blickte mir lange in die Augen bevor sie
vorsichtig einen Schritt auf mich zumachte und wir gemeinsam das
Lager betraten. Wir wurden nahezu sofort entdeckt und von meinen
Leuten umringt die mich mit Fragen, was mir passiert war und wohin
meine Kleidung war, bombardierten.
Ich
wusste, dass sie mir nicht vertraute, doch als ihr alle so nah kamen
und sie anstarrten wählte sie das kleinere von zwei Übeln und
schmiegte sich zitternd an meinen Rücken.
,,Wer
ist sie? Was ist passiert? Bist du verletzt? Wo sind deine
Klamotten?“, prasselten die Fragen auf uns nieder. ,,Ich werde euch
das alles später erzählen. Bitte verschwindet in eure Zelte und
schlaft. Wir müssen Morgen fit sein.“ Als alle fort waren, führte
ich sie in mein Zelt. Ich wusste nicht, was ich noch von ihr wollte.
Ich war ja wieder zurück im Lager. Doch alles in mir sträubte sich
dagegen sie gehen zu lassen. Durch die körperlichen Anstrengungen
des letzten Tages und die Nachwirkungen des Giftes drohten mir
bereits wieder die Augen zuzufallen. Ich schüttelte den Kopf um
wieder etwas wacher zu werden und murmelte: ,,Ich bin Alexander, kurz
Alex. Und du?“ Stumm sah sie mich an. ,,Nun komm schon. Ich weiß
das du mich verstehst! Bricht dir ein Zacken aus der Krone, wenn du
mir deinen Namen verrätst?“, neckte ich sie. ,,Rina“, flüsterte
sie leise. ,,Du hast mir das Leben gerettet, Rina.
Danke.“
Sie nickte. ,,Warum lebst du hier? Wieso verstehst du mich? Was ist
mit deiner Familie?“ Tränen traten in ihre Augen und sie stand
rasch auf. ,,Ich gehe.“, sagte sie mit unnatürlich hoher Stimme.
Ich stand ebenfalls auf, doch sie war bereits aus der Tür. Ich eilte
ihr nach und sah Rina, die stumm versuchte sich aus dem eisernen
Griff meines Vorgesetzten zu befreien. Eine Hand in ihren Haaren, die
andere auf ihrem Rücken, drückte er sie in eine sehr unangenehme
Position. Ich war meinen Vorgesetzten gehorsamst ergeben und hatte
nie Zweifel an der Richtigkeit gehabt, doch nun war mir alles andere
als Wohl bei dem Anblick der wehrlosen Rina.
,,Alexander“,
sagte mein Vorgesetzter streng. ,,Ich habe mir überlegt das der
Urwald zu groß ist um ihn allein mit deiner kleinen Gruppe zu
durchsuchen. Ich werde das Kommando nun wieder übernehmen. Wer ist
diese junge Dame?“ Noch bevor ich mir überlegen konnte wie ich
antworten sollte, übernahm die Antwort mein wohl strebsamster Mann:
,,Eine wilde die Alexander aus dem Wald. Sie scheint uns verstehen zu
können.“ Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu, widersprach
jedoch nicht. ,,Ist das so?“, sagte mein Vorgesetzter mit einem
verschlagenen Lächeln auf dem Gesicht und beäugte Rina nun etwas
genauer. ,,Du kennst dich hier doch sicherlich hervorragend aus,
oder? Du kennst hier doch garantiert jeden Winkel und weißt ganz
genau wo das Gold ist. Also?“ Trotz mehrmaliger Aufforderung
antwortete Rina nicht bis es meinem Vorgesetzten letztendlich zu bunt
wurde und er befahl sie einzusperren. Rina wehrte sich mit aller
Kraft, doch gegen drei Männer, von denen jeder einzelne mehr wog als
sie, hatte sie keine Chance. Gnadenlos sperrten sie sie in einen
Käfig den sie in die pralle Sonne des Strandes stellten. Mein
Vorgesetzter gab noch den kurzen Befehl: ,,Kein Wasser, kein Essen
bis auf weiteres.“, dann war die Sache für ihn erledigt.
Mehrmals
täglich ging ich zu ihr um nach ihr zu sehen. Sie würdigte mich
keines Blickes. Nach zwei Tagen war ihre ganze Haut knallrot vom
Sonnenbrand. Ihren knurrenden Magen und ihr krampfhaftes, trockenes
Schlucken konnte ich immer hören, ob ich nun in ihrer Nähe war oder
nicht. ,,Rina, es tut mir so Leid!“, murmelte ich am Morgen des
dritten Tages. Ich hatte seit zwei Stunden nichts getrunken und schon
jetzt fühlte sich meine Kehle durch die Hitze furchtbar trocken an.
,,Verschiwinde.“, wimmerte sie leise. ,,Ihr werdet nichts von mir
erfahren!“ Ich lächelte. Eine kleine Kämpfernatur. Wie passt so
ein großer Wille bloß in so einen kleinen Körper? ,,Okay. Aber
gibt es nichts anderes über das du gerne reden würdest? Ich kann
mir gar nicht vorstellen wie es sein muss niemanden zu haben mit dem
man reden kann und jeden Tag hier um sein Leben kämpfen zu müssen.“
Sie schwieg, dann: ,,Dich interessiert nur das Gold. Ich lass mich
nicht von dir einwickeln.“, sagte sie um eine feste Stimme bemüht.
,,Ja, das Gold interessiert mich sehr. Doch was hätte ich davon
etwas zu erfragen was mich nicht interessiert?“ Ich wartete eine
Weile und wollte bereits wieder gehen, als endlich schwerfällig
Worte über ihre Lippen kamen: ,,Wir waren mit einem Schiff
unterwegs, als wir in einen Sturm gerieten. Unser Schiff wurde
zerstört. Die, die nicht wie mein Bruder ertranken strandeten hier.“
,,Wann war das?“, fragte ich geschockt. ,,Vor etwa 15 Jahren. Ich
war damals 7.“ Sie begann leise zu weinen. Sanft berührte ich
durch das Eisengitter ihre Hand um sie zu trösten. ,,11 Personen
schafften es lebend ans Land. Unter ihnen meine Eltern. Wir bauten
uns hier ein Leben auf, doch…“, ihre Stimme verlor sich. Ich war
mir sicher das sie gar nichts mehr sagen würde, wenn ich sie jetzt
drängen würde und so wartete ich, stumm ihre Hand haltend. ,,Vor
etwa einem Jahr starben innerhalb von zwei Monaten alle außer mir.
Ihr Körper wurde von Schluchzern geschüttelt und sie entzog mir
ihre Hand. Ich versuchte noch lange sie zu trösten, doch sie schien
in ihren Gedanken gefangen und nahm mich bis ich letztlich ging kaum
noch wahr.
Als
ich nachmittags erneut zu ihr ging, lehnte sie erschöpft an den
Gittern ihres Käfigs. Die Augen halb geschlossen lächelte sie mich
an. ,,Du bist nett.“, krächzte sie erschöpft. ,,Wäre ich nett,
würde ich dich befreien.“, sagte ich voll schlechten Gewissens und
nahm durch die Gitter des Käfigs ihre Hand in die meine. Eine weile
schwieg sie, dann: ,,Hier gibt es zwei Regeln.“, sie hielt einen
Finger hoch. ,,Der Stärkere hat das sagen.“, sie hielt zwei Finger
hoch. ,,Jeder muss an sich selbst denken.“ Erstaunt blickte ich sie
an. Man konnte deutlich sehen, dass es ihr sehr schlecht ging. Sie
war an den Stellen, die nicht vom Sonnenbrand gekennzeichnet waren
kalkweiß und eine Hand lag schützend über ihrem schmerzenden
Bauch. ,,Weißt du nicht was wir wissen wollen? Hast du einen Grund
zu schweigen? Wieso sprichst du nur mit mir?“ Wie immer, wenn ich
zuviel fragte, antwortete sie zuerst nicht. ,,Okay, Themenwechsel.
Was…“, sagte ich beschwichtigend als sie mir plötzlich ihre Hand
entzog , sich abwandte und haltlos zitternd erbrach. ,,Rina“,
murmelte ich besorgt. ,,W…wenn ich euch sage wo es ist… zerstört
ihr die Gräber.“, wimmerte sie. ,,Rina…“, fing ich an,
ahnungslos was ich überhaupt sagen wollte. Rina verließen ihre
Kräfte und sie schlief erschöpft ein.
Einen
Augenblick betrachtete ich sie. Nein, das hatte sie nicht verdient.
Ich ging in das Zelt meines Vorgesetzten. ,,Sir?“, rief ich. Er kam
aus einer kleinen Nische und sagte hart: ,,Sprechen sie Aexander.“
An seinen ruppigen Ton war ich gewöhnt und nahm es daher nicht
persönlich. ,,Die Gefangene braucht Wasser und Brot. Es geht ihr gar
nicht gut.“ ,,Ist sie den bereit zu sprechen?“ ,,Nun…“, ich
zögerte. ,,Nein. Kein Wort. Vielleicht versteht sie uns doch nicht.“
Das war zwar eine kleine Notlüge, doch sollte sie sich weiterhin
weigern uns zu sagen wo die Statur war, konnten wir noch immer so tun
als verstünde sie uns nicht. Vielleicht wäre diese Vermutung ihre
Rettung und ihr Weg zurück in die Freiheit. Diese kleine Hoffnung
war besser als gar keine. Aber seit wann versuchte ich eigentlich sie
zu schützen? Aber wenn ich genauer darüber nachdachte, war es gar
nicht so merkwürdig. Natürlich, ich wollte das Gold finden, reich
werden. Aber von Folter oder sogar Mord war nie die Rede gewesen.
Außerdem hatte sie mir bereits das Leben gerettet. Ich war ihr etwas
schuldig. Den restlichen Tag und die halbe Nacht konnte ich nur an
ihr mal Tränenüberströmtes und mal kalkweißes, schmerzverzerrtes
Gesicht denken. Mein Vorgesetzter hatte sich nicht erweichen lassen.
Als ich sie am Nachmittag besuchte war sie ein zusammengesunkenes
Häufchen elend. ,;Alex.“; winselte sie erschöpft als sie mich
bemerkte. ,,Ich kann nicht mehr. Wenn ich euch sage wo die Statur
steht… schützt du dann die Gräber?“ Ich zögerte. Ich hatte
Angst ihr falsche Versprechungen zu machen, doch noch mehr fürchtete
ich das sie noch mehr leiden oder gar sterben würde, weil sie es uns
nicht verriet. ,,Ja, ich verspreche es dir.“ Erleichtert ging ich
zu meinem Vorgesetzten und eröffnete ihm, dass Rina nun bereit war
uns hinzuführen. Keine Stunde später waren alle Personen in unserem
Lager zusammengekommen und abmarschbereit. Eingeschüchtert hatte sie
sich in eine Ecke gekauert und suchte meinen Blick. Ich öffnete die
Tür des Käfigs und kletterte zu ihr hinein. ,,Hier, trink etwas.“,
sagte ich zu ihr und hielt ihr eine Wasserflasche an den Mund.
Dankbar trank sie in großen Schlucken die gesamte Flasche schnell
leer. ,,Aufstehen. Los!“, schnauzte sie mein Vorgesetzter streng
an. Sie zuckte zusammen. ,,Alex, ich… kann nicht aufstehen.“,
flüsterte sie mir mit zittriger Stimme zu. ,,Komm, ich helfe dir.“
Vorsichtig zog ich ihren Arm über meinen Nacken und sie hoch.
Taumelnd ging sie von mir gestützt wenige Meter. Scheinbar
blindlings taumelten wir Stunde um Stunde mit unserer riesigen
Gefolgschaft im Wald herum. Immer wieder unterbrochen von ihrem
zu-Boden-sinken und erbrechen. Das ungeduldige Stöhnen und meckern
hinter uns ignorierend, streichelte ich dann ihren Rücken und
flösste ihr Wasser ein. Erschöpft taumelten wir weiter bis sie
irgendwann erschöpft stehen blieb. ,,Bitte, enttäusche mich nicht.“
,flüsterte sie mir nahezu nicht hörbar zu. Dann führte sie uns
einen nahezu unsichtbaren Gang um einen Berg entlang hinunter. Der
Pfad endete in einer Höhle in der sich das Licht auf wundersame
Weise brach. Sie führte uns noch ein Stück weiter bis sich die
Höhle zu allen Seiten weitete und die Sicht auf eine große goldene
Statur freigab. Wie war sie in die Höhle gelangt? Sie war zu groß
um durch den Tunnel zu passen oder sie gefahrlos den schmalen Pfad
hinauf zu transportieren. Wenige Minuten erstaunter ,ahs´ und ,ohs´,
die rasch verklangen und nur kaltes Pläneschmieden zurückließen.
Wie bekommen wir sie hier raus? Wie durch den viel zu engen Wald?
Durch den Tunnel? Rina, die erschöpft an einer Wand hinunter
gesunken war, schien niemanden mehr wahrzunehmen. Sie schien vor
Hunger und Erschöpfung bereits im Halbschlaf zu sein, doch als sie
die Worte der Männer hörte wurde sie schlagartig wach. ,,Wir holzen
einen Pfad vom Meer bis zur Höhle ab und zerstören die Höhle!“
,,Nein!“, schrie Rina. Sie kam schwankend auf die Beine und
taumelte auf mich zu. ,,Du hast es mir versprochen!“, wimmerte sie.
Ich nickte. ,,Es gibt doch sicher einen anderen Weg.“, sagte ich
fieberhaft überlegend. ,,Jede andere Möglichkeit hieße die Statur
in Stücken zu transportieren. Zerstören. Wertmindernd. Auf keinen
Fall. Abholzen.“, entschied schnell und unverhandelbar mein
Vorgesetzter. ,,Nein!“, schrie Rina und wollte sich auf ihn
stürzen, doch ich hielt sie fest. ,,Erschießt sie.“, befahl er
genervt. ,,Nein. Bitte.“, fuhr ich auf und schob mich zwischen Rina
und die Gewehre. Gereizt blickte er mich an. ,,Dann sorg dafür das
sie still ist Alex.“
Rina
schrie, kratzte und biss, doch ihr Körper war durch die Tortur der
letzten Tage sehr geschwächt und so war es für mich ein leichtes
sie fort zu ziehen. Sie auf dieser Distanz zu halten stand jedoch auf
einem ganz anderen Blatt Papier. Ich redete immer weiter auf sie ein,
entschuldigte mich und tat alles was mir einfiel um sie zu
beschwichtigen. Vergeblich. Irgendwann kam mir etwas in den Sinn. Ich
legte alle Waffen und die Schutzkleidung ab und stellte mich ihr
gegenüber hin. Ohne Worte verstanden wir uns und begannen mit einem
gnadenlosen Kampf. Ihr Vorteil: Anders als ich war sie an einen Kampf
ohne Waffen gewöhnt. Ihr Nachteil: Sie war sehr geschwächt und
hatte seit Tagen nichts gegessen. Bereits nach kurzer Zeit war der
Kampf entschieden. Trotz deutlicher Blessuren in Form von Kratzern,
Bissen und blauen Flecken hatte ich gewonnen. Und der Gewinner
entscheidet. ,,Es tut mir leid was sie tun. Sehr leid sogar. Aber
dein Tod rettet die Gräber nicht. Du hast keine Chance. Du wirst
nicht gegen sie kämpfen, nicht schreien oder ähnliches. Verstanden?
Ich verbiete es!“ Blass nickte sie. Ich schob sie in mein Zelt und
gab ihr etwas Brot. ,,Iss.“ Sie gehorchte.
Bereits
zwei Tage später rückten die Bulldozer an. Rina gehorchte. Sie
schrie nicht, kämpfte nicht. Sah nur mit hängenden Schultern und
stumm weinend zu. Ich versuchte sie mehrmals zu trösten doch meine
Worte prallten an mir ab. Sie sagte kein Wort zu mir und wich meinen
Berührungen aus. Als die Arbeiten erledigt waren zog sich eine große
Narbe aus gefällten Bäumen bis ins Herz der Insel. Die Gräber
hatte ich nirgendwo entdeckt, doch au ihren toten Augen schloss ich,
dass wir sie zerstört hatten. Unsere Lager wurden abgebaut und auf
das Schiff geladen. ,,Rina, bitte komm mit mir. Was bleibt dir hier
noch?“, versuchte ich sie zum was-weiß-ich-wievielten Mal zu
überreden, doch sie würdigte mich keiner Antwort und winkte nicht
mal als unser Schiff außer Sicht fuhr.
Ein
Jahr später…
,,Rina!“,
schrie ich in den Wald hinein. Ich glaubte nicht, dass ich sie finden
würde. Es war ein so grenzenlos großes Gebiet. Doch auch wenn es
fast aussichtslos war hatte ich das vergangene Jahr beinah
unaufhörlich an sie gedacht und irgendwann hatte ich mich einfach in
Bewegung gesetzt und war zurückgekehrt. Ich hatte mich in sie
verliebt. Das war keine urplötzliche Erkenntnis gewesen, sondern ein
schleichender Vorgang. Dennoch war es so klar wie der
Sonnenuntergang, der garantiert irgendwann kommen würde. Während
ich den Urwald durchstriff plagte mich mein schlechtes Gewissen und
die typischen hinterher-weißt-du-es-besser Gedanken. Ich hätte
nicht so schnell aufgeben dürfen. Ich hätte ihr sagen müssen was
ich fühle. Ich hätte sie in ihrer Trauer nicht allein hier lassen
dürfen.
Der
Tag ging zu Ende und trübsinnig kehrte ich zurück zu meinem Schiff.
,,Morgen ist ein neuer Tag, wir finden sie schon noch.“, sagte mein
bester Freund James. Ich wusste das seine Worte mich nur aufheitern
sollten und er selbst nicht im entferntesten daran glaubte.
Tagelang
durchstriffen wir den Wald. Als wir schon beinah aufgeben wollten,
murmelte eine leise Stimme ,,Alex.“ Erschrocken drehte ich mich um,
konnte jedoch nichts entdecken. Ich war schon beinah überzeugt zu
haluzinieren, als weit oben plötzlich ein Ast knackte und etwas wie
ein nasser Sack herunterfiel. ,,Rina.“, rief ich erschrocken und
wollte schon zu ihr rennen, doch sie schluchzte gequält: ,,Bleib
weg! Nein, komm nicht her!“ ,,Warum?“, fuhr ich wütend auf.
,,Ihr müsst schnell von hier weg. Der Wald stirbt. Ihr sterbt auch
wenn ihr hier bleibt.“ Doch es war mir egal. Ich hatte mich das
vergangene Jahr so sehr nach ihr gesehnt. Ich rannte zu ihr und
kniete mich neben sie. Vorsichtig drehte ich sie auf den Rücken. Ich
erstarrte. Ihr ganzer Körper war von Flecken übersäht.
,,Baumfieber!“, stöhnte ich entsetzt. Ich biss die Zähne fest
zusammen und schloss einen Moment die Augen, dann: ,,James!“, rief
ich laut. Dieser hatte bisher erschrocken hinter mir gestanden und
kam nun zögernd zu mir vor. ,,Hol zwei Männer und eine Trage für
Rina vom Schiff. Sag dem Arzt er soll uns alle gegen Baumfieber
impfen. Wir legen mit Rina in zwei Stunden ab. Rina braucht dringend
einen Arzt!“ Während James davoneilte, blieb ich bei Rina. ,,Bleib
wach Kleine. Bleib wach!“, flüsterte ich während ich vorsichtig
ihren Kopf stützte. ,,James, kommt gleich zurück. Durchhalten.“
Vorsichtig tastete ich ihren Körper ab. Zumindest äußerlich hatte
ihr der Sturz unglaublicher Weise keinen Schaden zugefügt. ,,Ihr
müsst weg. Alles stirbt.“ ,,Mach dir keine Sorgen.“, murmelte
ich, während ich trostspendend ihre Stirn streichelte. ,,Wir können
dir helfen.“ Einen Moment schloss sie erschöpft die Augen, dann:
,,Du wolltest mich damals retten und ich…“ Tränen traten in ihre
Augen. ,,Tut mir Leid.“ ,,Ist schon okay. Mach dir keine Sorgen.“
Sie lächelte schwach bevor ihr die Augen zufielen.
Etwa
eine Stunde später kam James zurück. Rina war noch nicht wieder
aufgewacht. Wir hoben sie auf die Trage und kämpften uns durch den
dichten Wald. Mit Rina auf der Trage war es eine schwere Anstrengung
uns durch den Wald zurück zu kämpfen. Trotzdem atmete Rina als wir
ankamen schwerer als wir alle und Schweiß perlte in Strömen von
ihrem Körper. Mit einiger Verspätung setzten wir die Segel.
,,Wir
dürften in etwa zwei Tagen ankommen. Alex… Meinst du Rina hält
noch solange durch?“ ,,Ja!“, sagte ich wütend über James
Zweifel. Wenig überzeugt blickte James auf Rinas bewegungslosen
Körper in meinem Bett. Seit wir vor zwei Tagen losgefahren waren,
hatte sie kaum mehr gesprochen oder sich gerührt. ,,Sie muss
einfach!“, sagte ich matt und setzte mich neben sie. ,,Rina.“,
flüsterte ich leise hob ihren Kopf etwas an. ,,Du musst etwas essen
und trinken. Bitte Rina, ich will dich nicht verlieren!“ Vorsichtig
flösste ich ihr Löffel für Löffel Suppe und Tee ein. Kaum die
Hälfte schluckte sie, doch die Hälfte war besser als gar nichts. Am
frühen Abend öffnete sie die Augen und begann unverständliches
Zeug zu murmeln. Sie war sehr aufgeregt. Einzelne Sätze konnte ich
verstehen. ,,Bitte sterbt nicht!“,
,,Lasst
mich nicht allein!“ ,,Mama, Papa, bitte!“ Alles gute zureden
beruhigte sie nicht. Als sie anfing haltlos zu weinen und zu
schreien, krabbelte ich zu ihr unter die Decke, zog sie fest in meine
Arme und begann ihr leicht durch das Haar zu streicheln. Ihr Körper
war furchtbar heiß, in meinen Armen entspannte er sich endlich und
schlief ein.
Die
nächsten Tage fantasierte sie immer häufiger. Ich schaffte es nur
noch selten sie zu beruhigen und essen verweigerte sie konsequent.
Als wir endlich am Hafen anlegten, riefen wir uns sofort – die in
dicke Decken gewickelte Rina dabei – ein Taxi und fuhren zu einem
Krankenhaus. An Schläuchen gehängt und ans Bett festgebunden wurde
sie mit Medikamenten zugedröhnt. Sie in den Händen von Experten zu
wissen beruhigte mich sehr. Es dauerte mehrere Tage bis sie endlich
über den Berg war. Als sie eines Morgens aufwachte, merkte ich
sofort, dass sie wieder klarer denken konnte. ,,Alex.“, flüsterte
sie zitternd. ,,Bitte mach diese Dinger ab.“, flüsterte sie und
sah zu den Fesseln die sie während ihrer Fieberfantasien auf dem
Bett gehalten hatten. ,,Okay.“, sagte ich sofort. Man sah, dass es
ihr besser ging. Es bestand keine Notwendigkeit mehr sie zu fesseln.
Kaum waren sie ab, setzte sie sich schwerfällig auf. ,,Wo… sind
wir.“ „Im Krankenhaus.“ Als sie mich nur verständnislos ansah,
versuchte ich zu erklären: „Hier bringt man Personen her denen es
nicht gut geht und versucht ihnen zu helfen.“ „Und…ich bin so
eine Person?“, fragte sie neugierig. Mein Blick glitt an ihr hinab.
Sie war viel dünner als noch vor einem Jahr. Ihr Gesicht
eingefallen. Dunkele Augenringe in einem sehr blassen Gesicht… „Ja,
du warst krank. Aber du kommst wieder auf die Beine.“ Sie lächelte.
,,Ich will aufstehen. Raus.“ Nachdenklich sah ich sie an.
,,Vorschlag: Du wirst noch mal untersucht. Wenn der Arzt sagt, dass
du gehen darfst, gehen wir.“ Sie nickte stumm. Dennoch krabbelte
sie aus dem Bett. „Sei vorsichtig. Dein Körper ist noch sehr
geschwächt.“, sagte ich besorgt. Stumm taumelte sie zum Fenster
und berührte verblüfft das Glas bevor sie hinaussah. Leise trat ich
hinter sie und berührte ihre Schulter. ,,Ich kann mir zwar nicht
vorstellen, dass du mir noch vertraust, aber …ich passe auf dich
auf. Du brauchst dich nicht zu fürchten.“ Sie drehte sich um und
wir sahen uns für einen kurzen Moment fest in die Augen. Sie öffnete
gerade den Mund um…etwas zu sagen?...als es an der Tür klopfte und
der Arzt rein kam. ,,Wie geht es unserer jungen Patientin mit dem
sehr außergewöhnlichen Baumfieber?“ ,,Sie sind der Arzt? Mir
geht’s gut, ich will gehen.“, sagte sie selbstbewusst. Erstaunt
blickte mich der Arzt an. Ich konnte ein fröhliches Lächeln jedoch
nicht unterdrücken. Eine Wohltat die Rina aus den ersten Tagen
unserer Bekanntschaft zurückzuhaben. Die Rina, die statt krank oder
traurig, lebensfroh und mutig war. „Es wäre trotzdem nett, wenn
sie sie noch einmal untersuchen würden. Sie ist ausgesprochen zäh,
aber mich würde es sehr beruhigen.“ Der Arzt nickte, doch als er
sein Stethoskop hervorzog, wich sie verunsichert etwas zurück.
„Keine Sorge.“, murmelte ich beruhigend und schob sie sanft
Richtung Arzt. Die Untersuchung ging schnell und da wir fast mit
leeren Händen gekommen waren, waren wir schnell wieder aus dem
Krankenhaus raus. Wir gingen gemächlich durch die Straßen. Ihr
Blick zwischen Verwunderung, Erstaunen, Ablehnung und Entzücken
wechselnd, lag auf allem nahezu gleichzeitig. Doch bis auf das sie
meine Hand ergriff – und während unserer ganzen Tour nicht mehr
losließ – deutete nichts darauf hin, dass ihr die Gegend Unbehagen
oder gar Angst bereitete. Sie sagte und fragte kaum etwas. Ließ
alles stumm auf sich wirken.
„Rina?“,
setzte ich unsicher an. „Ich weiß, du kannst es dir sicher schwer
vorstellen nach 15 Jahren im Urwald… Und ich bin sicher das das
dich diese vielen Menschen hier etwas einschüchtern, aber…“ Ich
schaute sie unsicher an. Ich war mir nicht sicher wie ich enden
sollte und wollte. ,,Alex… ich würde gerne bei dir bleiben, aber
ich passe nicht hier her.“, unterbrach sie mein
nach-den-richtigen-Worten-suchen mit trauriger Stimme.
,,Ich
will das du bei mir bleibst!“ „Ich brauche Bäume, Wasser,
Natur…“ Ich lächelte.
Bereits
zwei Wochen später zeigte ich ihr das kleine Paradies was ich von
meinem Goldanteil für uns gekauft hatte. Eine traumhafte Mischung
zwischen Natur und moderner Technik. Von viel Licht durchflutete
Bäume umgaben ein Haus. Etwa 100 Meter entfernt ein kleiner See. Als
ich sie durch das Haus führte und sie sich langsam mit den modernen
Geräten und der Einrichtung vertraut machte konnte ich ein lächeln
nicht unterdrücken.
Im
Wohnzimmer schaute sie erstaunt durch die komplett gläserne Wand
hinaus in unseren Wintergarten. Der Boden war aus normalem Gras und
Erde durch die eine Hand voll winziger Bäume sprossen. „In zwei
Jahren überstehen sie draußen problemlos den Winter. Bis dahin
bleiben sie hier.“ Ich hatte kapiert. Die Gräber waren die
winzigen Bäume direkt über der Höhle auf einer kleinen Lichtung
gewesen. Ein lebendes Andenken an die Verstorbenen. Die Bäume waren
zwar zerstört, aber das heißt nicht, dass nicht irgendetwas leben
kann.
Sie
lehnte sich an mich, stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte
einen Kuss auf meine Lippen. Erstaunt sah ich sie an. ,,Mama sagte
einmal zu mir: Wenn du jemanden findest den du mehr magst als alle
anderen, zeigst du ihm das so.“
(c)
Nadine Markowitz
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