Selbst
nach zweitausend Jahren werde ich noch immer feuerrot, wenn ich einen
Moment Zeit finde darüber nachzudenken was ich tue. Glücklicherweise
lassen mir die Frauen – und manchmal Männer – zu denen ich
gerufen werde kaum Zeit darüber nachzudenken. Was ich tue ist
einfach gesagt. Sex, ficken, Geschlechtsverkehr betreiben, poppen.
Viele Wörter für ein und dasselbe. Jede Nacht, wieder und wieder.
Jede Nacht mit einer anderen.
Ich
spiele die männliche Nutte der gesamten Menschheit, dachte ich
bekümmert. Ich spürte wie meine Laune sank während ich eine
Frau – die mir so unbekannt war, dass mir
nicht
mal ihr Name einfiel – betrachtete. Den Kopf auf meinem Oberarm und
die Hand über meine Hüfte gelegt, schlief sie neben mir. Im Zimmer
war es dunkel. Sie hatte mich gegen einundzwanzig Uhr gerufen und
seitdem hatte ich sie vier Mal zum Höhepunkt gebracht. Nun war sie
völlig erschöpft eingeschlafen. Gequält schloss ich die Augen. Die
dünne Bettdecke, die nur knapp meine Hüfte bedeckte, rieb über
meinen noch immer erigierten Penis und sorgte dafür, dass ich nicht
zur Ruhe kam.
Mühelos
löste ich mich von ihr und krabbelte aus dem Bett. Durch meine
Jahrhunderte, sogar Jahrtausende lange Erfahrung fiel es mir leicht
mich unbemerkt anzuziehen und hinaus zu schleichen. Am Anfang war ich
davon überzeugt gewesen, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis
mein Fluch gebrochen werden und ich wieder frei sein würde.
Irgendwann kamen mir Zweifel. Ich fragte mich, ob ich dazu verdammt
war bis in alle Ewigkeit fremden Frauen jeden Wunsch von den Augen
abzulesen, zu erfüllen, selbst nie zu kommen und mir immer wie ein
Vibrator mit Denk-Funktion vorzukommen. Inzwischen brauchte ich es
mich nicht mehr zu fragen. Ich wusste, dass weder jetzt noch
irgendwann jemand meinen Fluch brechen würde.
Langsam
schlenderte ich durch die dunklen Straßen Londons. Während ich die
altmodischen Laternen, die mit Holzformen verzierten Bänke und den
schönen Pflanzenschmuck der ebenso altmodischen Balkons bewunderte,
besserte sich meine Stimmung ein wenig. Ich schloss die Augen und
atmete tief durch. Ich wusste, nun hätte ich ein paar wenige,
kostbare Minuten, wenn nicht gar Stunden. Stunden in denen ich so tun
konnte, als wäre ich ein ganz normaler Mann. Die Nacht war herrlich
klar und warm. Am Himmel war nicht eine Wolke zu sehen. Ich
beobachtete einen kleinen Schwarm Vögel, die – auf der Flucht vor
dem Winter – gen Süden flogen. Man sollte meinen, wenn man so
lange gelebt hat wie ich, ist man gegen jeden Schmerz immun, doch als
ich die Vögel betrachtete überwältigte mich eine so starke
Sehnsucht nach Freiheit, dass mir Tränen in die Augen traten.
Entkräftet
sank ich auf eine der Bänke, die ich eben noch bewundert hatte,
legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und gestattete mir
einen Moment der Schwäche und der Erinnerung. In Gedanken reiste ich
in die Vergangenheit.
Ich
stand auf einer Straße. Zumindest auf dem was man, vor rund zwei
Jahrtausenden, als Straße bezeichnet hatte. Eine Mischung aus Sand
und Erde, die über Jahre von Ziegen, Ochsen und Pferden
festgetrampelt worden war. Es war Frühling. Das erste Grün wurde
gerade erst sichtbar und der Duft von Narzissen und Drachenwurz lag
in der Luft. Es war früher Abend und die vom Winter noch stark
abgemagerten Menschen, eilten nach einem harten Arbeitstag in ihre
Hütten zurück.
Ich
ging langsam die Straße hinunter und nahm die Umgebung und die
Vergangenheit in mich auf. Ich war nicht mehr
zweitausenddreiundvierzig Jahre alt und wünschte mir ein Ende meiner
Qualen. Ich war neunzehn. Ein Jungspund der sein Leben noch vor sich
hatte. Angefüllt mit Träumen und der Hoffnung auf eine glückliche
Zukunft. Ich war groß, trotz meiner schlanken Statur muskulös und
wurde im ganzen Dorf für meine Fähigkeiten mit dem Schwert geachtet
und von den schönsten Frauen umschwärmt.
,,Hilfe,
Hilfe!“, hörte ich ein ganzes Stück weiter eine junge Frau rufen.
Mein Körper, durch zahllose Kämpfe und Trainingseinheiten darauf
vorbereitet, reagierte sofort und rannte der Stimme entgegen.
Drei
Reiter, die aussahen als kämen sie gerade aus einer der vielen
Kasernen der Umgebung, hatten ein etwa vierzehn jähriges Mädchen
umzingelt. In der damaligen Zeit war es gang und gebe das Frauen, die
allein und schutzlos abends herumliefen, vergewaltigt und sogar
ermordet wurden. Die Trauer um den Verlust der Töchter und Ehefrauen
wird, da bin ich mir absolut sicher, noch in hunderttausend Jahren so
betrauert werden wie in vergangener Zeit. Der einzige Unterschied ist
die Häufigkeit der Morde und somit die Aufmerksamkeit die ihnen
geschenkt wird. Denn Dinge, die selten geschehen, werden intensiver
beachtet als alltägliches Unglück. Dabei würde gerade erhöhte
Aufmerksamkeit gegenüber dem was falsch und grausam ist dazu
beitragen das Leben und die Welt zu verbessern.
Ich
rannte zu dem Mädchen und stellte mich zwischen sie und die Reiter.
Auch wenn ich mit beeindruckenden Fähigkeiten mit dem Schwert
aufwarten konnte, waren drei zu eins doch zu viel.
Ich
drehte mich zu dem Mädchen um. Ihre Schönheit nahm mir fast den
Atem. Ihr langes, glänzendes, feuerrotes Haar reichte bis zu ihrer
schmalen Taille und betonte diese auf umwerfende Weise. Sie hatte ein
schmales Gesicht, was allerdings keineswegs streng oder kalt sondern
vielmehr freundlich wirkte. Etwas kleiner als ich, konnte ich ihr
problemlos in die Augen sehen, die einen Farbton hatten den ich nie
zuvor gesehen hatte. Irgendetwas Dunkles mit einem ganz leichten
Rotstich. Wunderschön.
Das
alles nahm ich innerhalb von Sekundenbruchteilen war. ,,Lauf weg!“,
befahl ich dem Mädchen barsch und drehte mich wieder zu den Reitern
um.
,,Du
hast uns unseren Spaß vermiest.“, sagte der erste und bulligste
der drei. Aus den Augenwinkeln sah ich wie das Mädchen querfeldein
fortrannte. In der damaligen Zeit wurden Menschen die für andere
eintraten keineswegs verehrt. Sie wurden als dumm und einfältig
angesehen. In der vergangenen Zeit, wo eine einzige falsche Bemerkung
das Leben fordern konnte, war sich jeder selbst der Nächste.
,,Ich
denke, es wäre ein ziemlich einseitiger Spaß gewesen.“,
antwortete ich und schob meine Hand unauffällig in die Nähe meines
Gürtels, an dem mein Schwert befestigt war. Meine Hoffnung ohne
Kampf davon zu kommen, löste sich in Luft auf als zwei der Reiter
ihre Position wechselten und ich plötzlich eingekreist war.
Kampf
ist meine Stärke, nicht Diplomatie. Und so ist es vermutlich kaum
verwunderlich das ich nicht wusste was ich sagen sollte.
,,Leute…
kommt. Auf ein Bier. Ich lade euch ein.“
,,Etwas
anderes wäre mir persönlich jetzt lieber.“, sagte der bullige,
der scheinbar der Anführer war und zog sein Schwert. Hinter mir
hörte ich es klirren und begriff, dass auch die anderen zwei ihre
Schwerter inzwischen gezogen hatten. Sie stiegen von ihren Pferden
und kamen näher. Ich zog ebenfalls mein Schwert, war mir aber
vollauf bewusst, dass ich nicht drei gleichzeitig abwehren konnte.
,,Weißt
du, eine schöne Prügelei könnte mir auch gefallen.“, sagte der
Anführer zu mir. ,,Was hältst du davon?“
Ich
wog meine Chancen ab. Einen Schwertkampf gegen drei Soldaten der
Kaserne zu überleben war nicht sehr wahrscheinlich. Eine Prügelei
schon eher. Ein letzter Blick über die Schulter sagte mir, dass
keine Hilfe in Sicht war. Und so straffte ich die Schultern und warf
mein Schwert einige Meter von mir fort. Auch wenn ihnen Anstand fremd
war, verbot ihnen ihre Männerehre dies auszunutzen und so warfen sie
ihre Schwerter meinem hinterher.
,,Dann
los!“, sagte der Anführer gut gelaunt.
Prügelei
konnte man das, was folgte, wohl kaum nennen. Eher ein draufhauen.
Innerhalb von wenigen Sekunden hatten sie es zu dritt geschafft mich
zu packen und in eine Position zu bringen in der sie mich – für
sie – bequem zusammenschlagen konnten. Irgendwann wurde mir schwarz
vor Augen und ich sank in Ohnmacht.
,,Hey,
aufwachen!“ Ich brauchte eine Weile bis ich wieder halbwegs bei
Sinnen war. Das erste was ich spürte, war der Schmerz, der von einem
dumpfen Pochen meiner Nase bis zu dem schneidenden, brennenden meiner
Schulter reichte. Ich wimmerte gequält. Als Mann in dieser Zeit gibt
man solche Geräusche nur sehr selten von sich und auch wenn sich
alles drehte und ich das Gefühl hatte gleich wieder ohnmächtig zu
werden unterdrückte ich weitere davon.
,,Bist
du wach? Wie geht es dir?“, hörte ich eine hohe Piepsstimme
fragen. Ich öffnete die Augen, oder versuchte dies zumindest. Durch
einen kleinen Spalt, des Auges das nicht völlig zugeschwollen war,
erkannte ich das Mädchen von vorhin wieder.
,,Hervorragend.“,
antwortete ich, meine Stimme voll Ironie. Sie lächelte matt, kniete
sich neben mich und hob meinen Kopf etwas an um ihn auf ihre Beine zu
legen. Als sie dabei meine Schulter bewegte, schrie ich gepeinigt
auf. Während ich mit fest geschlossenen Augen versuchte die
Schmerzen zu unterdrücken, streichelte sie sanft meine Stirn.
,,Lebt
er noch?“, hörte ich eine tiefe Männerstimme fragen.
,,Ja,
Vater.“, antwortete das Mädchen.
,,Also
schön. Dann lass ihn uns ins Haus bringen.“
Ich
spürte wie ihr Vater meinen, scheinbar unversehrten, Arm um seinen
Hals legte und mich mit einem Ruck hochzog. Die Schmerzen, die diese
brutale, unkontrollierte Bewegung, in mir auslöste waren grausig und
ich brauchte alles was ich an Selbstbeherrschung besaß um nicht
erneut zu schreien.
Nach
einer schieren Ewigkeit wurde ich durch die Tür einer Hütte
gezogen. An humpeln war, allein schon wegen meiner Schulter, die sich
bei der kleinsten Bewegung in ein Feuerinferno verwandelte, nicht zu
denken. Aber selbst wenn doch, verhinderte der Dämmerzustand in dem
ich seit meinem Erwachen gefangen war, jede noch so kleine Bewegung.
Ich
wurde in ein Bett gezerrt und bis auf meine Unterwäsche völlig
ausgezogen. So etwas wie Heizungen oder auch nur Isolierungen gab es
nicht und so zitterte ich am ganzen Leib während das Mädchen meine
Verletzungen gründlich wusch, kühlte und verband.
Die
Kälte und die mangelnde Bewegung linderten meine Schmerzen und
brachten mich zurück in die Realität.
,,Ich
bin Cassandra.“, stellte sich das Mädchen vor als sie bemerkt
hatte das ich wach war.
,,Alexandre“,
brachte ich mühsam hervor.
,,Ich
weiß.“, antwortete sie während ihr Gesicht einen sanften Rotton
annahm. ,,Danke das du mich gerettet hast.“
,,Keine
Ursache.“, sagte ich und schaffte es doch glatt ein Lächeln
zustande zu bringen.
Sie
pflegte mich gesund. Danach trafen wir uns beinah täglich. Innerhalb
von wenigen Tagen waren wir fest zusammen. Zu diesem Zeitpunkt liebte
ich sie über alle Maßen und war fest davon überzeugt, dass das was
wir hatten für die Ewigkeit bestimmt war. Zur damaligen Zeit
heirateten Frauen bereits mit dreizehn oder vierzehn Jahren. Wenn ein
aufstrebender, angesehener Soldat, in jungem Alter um die Hand einer
Bauernstochter wie Cassandra anhielt – und die beiden sich sogar
liebten - wurden Nägel mit Köpfen gemacht und so waren wir bereits
nach wenigen Wochen verheiratet. Doch bereits vier Monate später
ging unsere Beziehung in die Brüche. An den Tag, an dem alles
endete, erinnere ich mich noch als wäre es gestern gewesen.
Ich
hatte einen Albtraum gehabt und war deshalb früher als sonst zum
Frühstück nach unten gekommen. Ich ging sehr leise. Ob es aus
Instinkt war oder einfach durch die Kaserne antrainiertes, leises
Verhalten was ich unbewusst umsetzte weiß ich nicht. Ich blieb am
Fuß der Treppe stehen und betrachtete meine Frau. Ja, ich liebte sie
in diesem Moment. Und dennoch spürte ich, dass es irgendwie falsch
war. Am Anfang hatte ich es darauf geschoben, dass mir das Eheleben
fremd war doch in letzter Zeit waren wir so unserem Tagesablauf
gefangen das es nichts ungewohntes mehr gab.
Ich
wollte mich gerade bemerkbar machen und ihr einen guten Morgen
wünschen, als ich sie eine kleine Flasche aus ihrem Rock ziehen sah.
Ich erstarrte und beobachtete wie sie einige Tropfen aus der Flasche
in eine vor ihr stehende Tasse gab. Meine Tasse.
,,Hey,
was machst du da?“, fragte ich. Alles in mir flehte, es möge nur,
wie Zucker, etwas für besseren Geschmack sein und nicht, wie ich
vermutete, Gift.
,,Nichts.“,
sagte sie in bemüht beiläufigem Ton, der aber nicht über die Angst
in ihren Augen hinwegtäuschen konnte.
,,Was
hast du mir in die Tasse getan?“
Ich
sah wie sie fieberhaft überlegte, wie sie aus dieser Situation
hinauskommen konnte. Wäre es Gift, hatte ich das Recht sie
auszupeitschen, einzusperren, auf jede erdenkliche Weise zu bestrafen
und sogar hinrichten zu lassen.
Sie
wich vor mir zurück. Doch ich ergriff blitzschnell ihren Arm, zog
sie zu mir, griff in ihre Rocktasche und holte die kleine Flasche
heraus. Inzwischen zitterte sie am ganzen Leib.
,,Was
ist das?“, fragte ich mühsam beherrscht, während ich die blutrote
Flüssigkeit betrachtete.
,,W…W…Wein.“,
stotterte sie.
Ich
war bereits seit vier Jahren Soldat. In der Zeit hatte ich vieles
gelernt. Eines ist die Fähigkeit Lügen – zumindest schlechte –
zu durchschauen.
,,Okay.
Lass es mich so ausdrücken: Was ist das wirklich?“
Egal
womit ich drohte, ich bekam kein weiteres Wort aus ihr raus. So blieb
mir keine andere Wahl als zu einer Kräuterfrau zu gehen. Dieser gab
ich das Fläschchen und bat sie mir zu sagen was es war. Ein
Liebestrank. Zusammengebraut aus einer Mischung verschiedener Kräuter
und Blut und mit einem altgriechischen Zauberspruch belegt, musste
der trinkende seine Frau nur sehen um sie so sehr zu lieben, dass er
sogar für sie sterben würde. Mir wurde schlecht. Die Frau fragte
mich noch von welcher Hexe ich den Trank hatte, doch sie hatte nicht
gelogen. Auch wenn mir mit jeder Minute klarer wurde, dass meine
Liebe zu Cassandra auf diesem Trank beruhte, brachte ich es nicht
übers Herz sie als Hexe anzuprangern und dadurch zuzulassen, dass
sie gejagt und verbrannt wurde.
Ich
schenkte ihr das Haus, was ich für uns beide gekauft hatte, und
packte meine Sachen. Noch unter dem Einfluss des Trankes trennte ich
mich von ihr. Als ich fort ging, schrie sie mir hysterisch nach, sie
würde mich verfluchen.
Ein
hilfloses Schluchzen holte mich zurück in die Gegenwart. Ich blickte
mich suchend um bis ich, einige hundert Meter weiter, vier
Jugendliche und ein etwa ebenso altes Mädchen sah. Sie hatten sie an
einer Hauswand vor eine Buchladen eingekesselt und waren schon fast
damit fertig ihr die Kleider vom Leib zu reißen. Während sie an
ihrem BH zerrten und sie hemmungslos begrapschten, versuchte sie
weinend ihre Blöße zu bedecken.
Manche
Dinge ändern sich wohl nie, dachte ich angewidert. Keine
fünf Sekunden nachdem ich sie hatte, war ich bereits dort und riss
die Jungs von dem Mädchen runter. Dann griff ich mir den erstbesten
den ich zu fassen bekam, hob ihn am Kragen hoch, zog ihm mit der
freien Hand sowohl Hose als auch Shorts runter und wartete geduldig
bis seine Kumpane wieder auf die Beine gekommen waren.
Eingeschüchtert
von meinem Kraftbeweis blieben sie wie erstarrt stehen und sahen mich
verstört an.
,,Seht
gut her, Männer!“, sagte ich ruhig. Das ,Männer´ kam
betont spöttisch raus um ihnen klarzumachen, was für
Schlappschwänze sie seien mussten, da sie sich an einem wehrlosen
Mädchen vergriffen.
,,Dass“, sagte
ich und umfasste mit meiner freien Hand die Hoden des, noch immer an
meiner Hand baumelnden, Jungen. Dieser wimmerte als er es spürte.
,,Dass passiert, wenn ich noch mal mitbekomme, dass ihr einem
unschuldigen Mädchen an die Wäsche wollt!“ Ich drückte seine
Hoden bis er erstickt aufschrie. Ich war vielleicht etwas grob
gewesen, deswegen lockerte ich meinen Griff ein wenig. Tränen liefen
über seine Wangen und mit unnatürlich hoher Stimme schluchzte er
das es ihm leid täte.
,,Und
euch?“, fragte ich während ich die Hoden des Jungen weiter
drückte. ,,Tut es euch auch Leid?“ Ich spürte wie eine warme
Flüssigkeit über meine Hand lief. Aber ich war ja selbst Schuld und
außerdem hatte ich im laufe der Jahrhunderte schon viele Dinge
machen und mitmachen müssen die viel ekelhafter waren als das.
Die
bis dato erstarrten Jungs nickten hastig. ,,Ja!“ Ich lächelte.
,,Brav. Ihr könnt euch sicher sein, wenn ihr diesem Mädchen oder
irgendeinem sonst jemals wieder etwas tut, werde ich euch finden. Und
nun verschwindet!“
Bei
meinem letzten Wort nahmen die beiden ihre Beine in die Hand und
rannten fort. Etwas verspätet viel mir ein, dass der dritte Junge
noch immer am Ende meiner Hand baumelte. ,,Du hast ja nette Freunde.
Schon traurig zu sehen wie sie dich einfach so im Stich lassen,
oder?“
Als
der Junge schluchzte ließ ich ihn zu Boden sinken. ,,Hau ab.“ Mit
einer Hand seine Hoden umklammernd und seine Hose zurücklassend
rannte er davon.
,,Geht
es dir gut?“, fragte ich an das Mädchen gewandt.
Verschreckt
blickte sie mich an. ,,J…ja, danke.“
,,Ich
hoffe, ich habe dir eben keine Angst eingejagt. Ich dachte nur ein
ordentlicher Schock wäre mehr Wert als ein schnelles wegjagen. So
werden sie es sich zweimal überlegen, ob sie es noch einmal tun.“
,,Zweimal?
Eher hunderttausend Mal. Wenn das überhaupt Reicht!“, brachte sie
hysterisch lachend hervor.
,,Ich
glaube du hast einen Schock…“
,,Vermutlich
hast du Recht.“, sagte sie und versuchte vergeblich weitere
Lachanfälle zu unterdrücken. Ich lächelte matt, hob ihre Kleidung
vom Boden auf, schüttelte den Dreck ab und reichte sie ihr.
Durch
den Schock war sie unnatürlich blass. Ihre Augen hatten einen warmen
Braunton, der sicher unter normalen Umständen sehr schön war, wenn
nicht der Rest ihrer Augen durch ihre Tränen gerötet gewesen wäre.
Ihre langen, braunen Haare lagen, vom weglaufen, strähnig auf ihrem
Kopf und klebten auf ihrer verschwitzten Stirn. Sie hatte sich
scheinbar mit den Jungs ein hartes Wettrennen geleistet bevor sie sie
geschnappt und ich sie entdeckt hatte. Von der Figur her ähnelte sie
auf verblüffende Weise Cassandra mit einer Ausnahme. Sie war
bestimmt mindestens fünfzehn Zentimeter kleiner als Cassandra.
Dankbar
lächelte sie mich an, nahm sie entgegen und zog sich an. ,,Wo wohnst
du? Ich…“, sagte ich, doch noch bevor ich zu Ende reden konnte,
spürte ich den intensiven Ruf des Fluches und wusste, ich musste
zurück. Zurück zu der wildfremden und ihr zu Diensten sein.
,,Ich
muss leider fort. Ruf dir ein Taxi und pass auf dich auf.“, sagte
ich, während ich ihr zwanzig Pfund in die Hand drückte für den
Fall das sie kein Geld dabei hatte.
,,Warte!“,
rief sie mir hinterher. Ich wäre stehen geblieben. Ich hätte sie
gerne nach Hause gebracht und mich vielleicht sogar noch ein wenig
mit ihr unterhalten. Es wäre schön gewesen mich, nicht als Vibrator
mit Denk-Funktion mit meiner Herrin sondern, als Mensch mit einem
anderen Menschen zu unterhalten.
Niedergeschlagen
versank ich wieder in Gedanken während ich, vom Fluch getrieben, so
schnell ich konnte durch die Straßen zurück zu dem Haus rannte aus
dem ich mich vor etwa zwei Stunden fortgeschlichen hatte.
Nachdem
mich der Fluch getroffen hatte, hatte ich es genossen jede Nacht in
einem anderen Bett zu sein. Schöne, willige Sexpartner, keine
Eifersuchtsszenen und ständig neue Orte die ich bewundern konnte.
Ich hatte Cassandra innerlich verspottet. Anstatt eines Fluches hatte
sie mir ein großes Geschenk gemacht, dachte ich. Doch dann war ich
erwachsen geworden. Mit jeder Nacht begann ich mehr und mehr zu
begreifen was der Fluch wirklich bedeutete. Niemals einen Ort zu
haben den man als Zuhause bezeichnen konnte, da man ständig woanders
war, keine Freunde mit denen man rumalbern und seine Sorgen teilen
konnte, niemals tief empfundene, ehrliche Liebe erleben und jeden Tag
von neuem von seinem eigenen Körper vergewaltigt werden.
Naja
wo wir schon beim Thema sind…dachte ich ironisch während ich
spürte wie sich mein Körper ohne mein zutun bewegte. Schalt
den Kopf aus. Denk nicht daran was du gleich tun musst. Die
Frau erwartete mich bereits an der Haustür. Lächelnd trat sie zur
Seite. Während ich eintrat lächelte ich höflich zurück.
,,Ich
habe mich gefragt wo du bist. Du sagst du erfüllst meine geheimsten
Wünsche und dann verschwindest du sobald ich kurz eindöse?“,
tadelte sie mich.
,,Wenn
es dein Wunsch ist, dass ich auch über deinen Schlaf wache, werde
ich dies selbstverständlich tun.“, sagte ich niedergeschlagen. Der
Fluch verhinderte jedoch, dass die Frau etwas von meiner miesen
Stimmung mitbekam.
,,Im
Moment ist Schlaf das Letzte was ich im Sinn habe. Du bist so…“
Ohne den Satz zu beenden kam sie mir näher und küsste mich. Denk
an Fußball, den 11. September, Hausarbeit versuchte ich
mich verzweifelt davon abzulenken das ich den Kuss erwiderte. Ich
spürte wie ihre Hand über meinen Körper wanderte und an meiner
Jeans stoppte. Der neue Audi mit Sportauspuff und
Servolenkung! Der Fluch zwang mich immer genau das zu tun
was die jeweilige Person die mich rief sich wünschte. Das ich meine
Hände nicht mehr bewegen konnte, während sie mit ihrer über die
größer werdende Beule in meiner Jeans rieb, hatte also einen Grund.
Ich stöhnte gequält während ich spürte wie meine Erektion von der
Hose unangenehm eingezwängt wurde. Trotz dieser Situation wäre es
mir lieb gewesen die Zeit anhalten zu können und nicht hilflos
spüren zu müssen wie sie mich komplett auszog. Sanft drückte sie
mich aufs Bett. Die dicken Eisen-Handschellen mit denen sie meine
Hände an die Pfosten ihres Bettes fesselte, waren eher eine
symbolische Geste. Scheinbar törnte es sie an zu wissen, dass sie
mit mir tun und lassen konnte was sie wollte.
Scham
stieg in mir auf, als ich spürte wie sie an meinem Körper hinab
glitt und anfing meinen Penis grob zu stimulieren. Schon nach kurzer
Zeit war ich kurz vor dem Orgasmus. Mir war klar, dass ich nicht
kommen würde. Sie dachte, dass sie das Endergebnis bei sich selbst
noch steigern könnte, ich mir mehr Mühe geben würde, wenn ich bis
zum geht-nicht-mehr erregt wäre, aber da irrte sie sich. Ich war
vorm Orgasmus weil SIE es wollte. Ich würde sie stimulieren wie SIE
es wollte und zum Orgasmus bringen wann SIE es wollte.
Wie
ich es bereits erwartet hatte, löste sie meine Fesseln und damit
auch die geistigen und küsste mich lang und ausgiebig auf den Mund.
Mein Körper drehte sich mit einer blitzartigen Bewegung, so dass ich
auf ihr zum liegen kam. Dann fesselte ich sie, wie sie vorher mich
und flüsterte rau: ,,Jetzt nehme ich Rache.“
Ich
begann mir langsam einen Weg ihren Körper hinabzuküssen, rieb
zärtlich über eine ihrer Brustwarzen und verwöhnte sie gut zwanzig
Minuten mit sanften Liebkosungen und bissen. Zum Schluss begann ich
langsam kreisend an ihrer sensibelsten Stelle zu lecken, an ihr zu
sagen und zu blasen. Ich hörte sie wimmern und wusste dass sie den
Orgasmus nun wollte. Ich begann sie schneller und sanfter zu lecken
und merkte wie sie keine Minute später anfing zu zucken und zu
schluchzen. Ich leckte noch einige Sekunden weiter bis auch die
kleinen Nachbeben abgeklungen waren und beendete es mit einem sanften
Kuss auf ihren Mund. Sanft löste ich ihre Fesseln und deckte sie zu.
Ich hörte sie glückselig seufzen während mein Penis weiter gequält
pochte. Als ich sicher war, dass sie eingeschlafen war, ging ich ins
Badezimmer und unter die Dusche um den Druck durch die Kälte des
Wassers zu lindern. Mein Körper begann haltlos zu zittern und ich
war mir sicher, dass es nicht durch das kalte Wasser kam. Entkräftet
sank ich auf den Boden der Dusche und begann leise zu weinen.
Geschafft. Ich spürte wie der Fluch… nachließ. Ich wusste er
würde zurückkehren sobald die nächste Frau meine Dienste wollte
aber im Moment war ich frei und mein Körper gehorchte nur mir
allein. Ich trocknete mich schnell ab, zog mich an und rannte so
schnell ich konnte raus in die kalte Nachtluft.
Tief
atmend, um die Tränen und das zittern zurückzudrängen, wanderte
ich erneut durch die Straßen Londons. Doch irgendwann gab ich es
auf, sank auf einer Parkbank zusammen, die Arme fest um meinen Körper
geschlungen, und ließ meinen Tränen freien Lauf.
Es
war sehr knapp gewesen. Während ich in meiner Zwei-Zimmer-Wohnung am
Fenster saß und die Sterne betrachtete, dachte ich über die nur
knapp vereitelte Vergewaltigung nach. Der Mann der mir geholfen
hatte, sah richtig gefährlich aus. Mit kurzen, verstrubbelten,
blonden Haaren. Sein Körper war muskelbepackt und seine grünen
Augen…. In seinen Augen lag eine unglaubliche Wildheit, aber auch…
Einsamkeit?
Wahrscheinlich
hatte ich mich geirrt, schließlich war unsere Begegnung sehr kurz
gewesen. Es war mir so vorgekommen als ob er noch etwas hatte sagen
wollen. Was hatte dafür gesorgt, dass er so plötzlich verschwand?
Wolken begannen sich über die Sterne zu schieben und ein
regelrechter Wolkenbruch war das Ergebnis. Wäre ich nicht hier
aufgewachsen, hätte es mich vielleicht beeindruckt zu sehen, dass
das Wasser so schnell hinabprasselte das die Gullys kaum nachkamen
und sich ein kleines Meer auf dem Fußweg sammelte. Ich hätte ihn
fast übersehen, während ich dem Meer beim wachsen zusah. In der
Dunkelheit, mit seiner dunklen Kleidung und so auf der Bank
zusammengekauert, wirkte er beinah unsichtbar. Doch der Mann der dort
saß, war eindeutig mein Retter von vor einigen Stunden. Wieso saß
er da in dem Regen? Selbst aus der Entfernung ließ es nur einen
logischen Schluss zu: Es ging ihm nicht gut. Ich zögerte nur eine
Sekunde. Was wenn er es doch nicht war und er ihm nur aus der
Entfernung ähnlich sah? Doch den Gedanken verwarf ich. Ich war es
ihm schuldig mich vernünftig bei ihm zu bedanken und ihm zu helfen,
falls er Hilfe benötigte. Schnell zog ich Jeans und Regenjacke über
mein Nachthemd und die Gummistiefel über meine nackten Füße.
Der
Weg bis zu der Bank auf der er saß war kurz. Vom ersten Stock
abwärts und dann an einigen Läden vorbei. Keine hundert Meter. Ich
zog mir die Kapuze tief ins Gesicht und näherte mich dem Mann
vorsichtig. Er war bereits völlig durchnässt. Seine Jeans und sein
T-Shirt klebten wie eine zweite Haut an ihm. Tief vorgebeugt saß er
da, sodass ich sein Gesicht nicht sehen konnte.
,,Hallo?“,
fragte ich vorsichtig. ,,Geht es ihnen gut?“ Er reagierte nicht. Er
war doch nicht etwa…Tod? Nein, bei näherem hinsehen konnte ich
sein krampfhaftes zittern sehen. Zögerlich legte ich meine Hand auf
seinen Oberarm. Er zuckte kurz zusammen, dann blickte er auf. Ja, ich
hatte Recht gehabt. Er war es. Diese grünen Augen hätte ich
vermutlich unter tausenden wieder erkannt.
,,Was
haben Sie? Wieso sitzen sie hier rum? Sie werden sich noch den Tod
holen!“ Es war tiefe Nacht. Drei oder vier Uhr. Und dementsprechend
im späten Herbst kalt. Maximal zwei oder drei Grad über null und er
saß da, bis auf die Knochen durchnässt, im T-Shirt.
Er
lehnte sich auf der Bank zurück und legte den Kopf in den Nacken
damit der Regel noch besser auf ihn einprasseln konnte. Mit schwacher
Stimme sagte er: ,,Und du? Wie alt bist du? Neunzehn? Zwanzig? In dem
Alter nachts rumwandern ist auch nicht gerade das was man klug
nennt.“ ,,Ich wohne hier. Ich bin nur rausgekommen, weil ich sie
sah und mich sorgte!“, verteidigte ich mich. ,,Außerdem bin ich
bereits siebenundzwanzig und nicht neunzehn.“
Das
war ungewöhnlich. Ich starrte das Mädchen das vor mir stand einen
Moment lang verblüfft an. Normalerweise konnte ich das Alter von
Personen bis auf wenige Tage genau schätzen. Ein verborgenes Talent?
Ich denke nicht. Wohl eher das Ergebnis von Millionen und
Abermillionen verschiedener Gesichter die ich in meinem Leben gesehen
habe. Aber egal, gewöhnlich war schließlich eines der wenigen
Wörter die nicht auf mich zutrafen.
,,Achso?
Geh trotzdem besser wieder rein.“, murmelte ich tonlos, wofür ich
mich sofort schämte. Ich wollte nicht, dass sie ging. Die ehrliche
Besorgtheit, die ich aus ihrer Stimme heraushörte, berührte mich
zutiefst.
,,Sie
haben geweint.“, stellte sie nüchtern fest. Ich spürte genau, wie
mein Gesicht innerhalb weniger Sekunden feuerrot und glühend heiß
wurde. Ich hatte bereits vor Jahrhunderten mit meinem Schicksal
abgeschlossen und aufgehört damit zu hadern. Doch irgendwie war
heute vieles aus mir herausgebrochen. Scham, Trauer, Verletzbarkeit,
Einsamkeit… Er hatte bereits vorhin im Schlafzimmer gespürt, dass
dies kein guter Tag werden würde. Normalerweise konnte er sich, wenn
es soweit war und er der jeweiligen Frau völlig ausgeliefert war,
gut ausklinken. Sein Körper übernahm dann das Kommando und er
selbst war nur minimal anwesend. Heute war es anders gewesen. Er
hatte jede Berührung gespürt. Seine Erregung und auch die Tatsache,
dass er sich nicht frei bewegen konnte war ihm lange nicht mehr so
intensiv bewusst gewesen wie heute.
,,Du
spinnst. Wieso sollte ich.“, zickte ich sie an.
,,Das
frage ich dich. Dir geht’s nicht gut!“
,,Achso?
Wie schlau du doch bist!“ Inzwischen war ich richtig laut geworden,
war aufgestanden und hatte die Hand die sie auf meinen Unterarm
gelegt hatte grob abgeschüttelt.
Einige
Sekunden kämpfte ich mit mir bevor ich, ihr meinen Rücken
zugedreht, leise sagte: ,,Es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht so
anfahren. Mir geht es wirklich nicht gut, aber…. du kannst nichts
tun.“
,,Hm.
.. du solltest dich erstmal etwas ausruhen. Geh nach Hause etwas
schlafen.“
Matt
nickte ich. ,,Weißt du wo hier in der Gegend ein Hotel ist? Ich war
lange nicht mehr hier. Das Hotel in das ich wollte steht nicht mehr.“
,,Ein
Hotel? Hier stand, soweit ich weiß, nie ein Hotel. Nicht zu unseren
Lebzeiten zumindest. Du wohnst nicht hier?“
,,Nein,
ich…arbeite hier. Vorübergehend.“
Einen
Augenblick dachte sie nach, dann: ,,Komm mit mir!“
Verblüfft
drehte ich mich zu ihr um.
,,Du
kannst heute bei mir bleiben. Du brauchst einen Unterschlupf…“
Zuerst
wollte ich ablehnen, doch dann lächelte ich sie matt an und nickte.
Gemeinsam gingen wir in ihr Apartment. Dort, in der Wohnung, wurde
sie plötzlich feuerrot. Einen Moment trat sie unsicher von einem
Bein aufs andere, bevor sie schließlich, eine Entscheidung
getroffen, ihre Regenstiefel abstreifte und schließlich mit nackten
Füßen in das angrenzende Zimmer tapste. Als sie zurückkam drückte
mir ein Schlabbershirt und eine Jogginghose in die Hand.
,,Sind
von meinem Ex-Freund übrig geblieben. Was größeres kann ich nicht
anbieten.“, sagte sie und beäugte zweifelnd erst die Kleidung und
dann mich. Ich lächelte. Ich hegte die gleichen Zweifel wie sie.
Auch ich glaubte nicht, dass sie passen würden. Ich hatte nicht mal
damit gerechnet dass sie überhaupt etwas fand. Eigentlich hatte ich
ablehnen wollen, doch die Kleidung fühlte sich so warm, weich und
vor allem trocken unter seinen Fingern an, dass ich nicht
wiederstehen konnte. Ich kann ja schlecht ihre Wohnung
volltropfen, rechtfertigte ich mich vor mir selber, während
ich mit der Kleidung im Badezimmer verschwand. Nachdem ich mich –
ihrem Angebot folgend – kurz heiß geduscht und umgezogen hatte,
stand sie noch immer – nass wie zuvor im Flur. Als sie gähnte
konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. Sie sah so müde aus
wie ich mich fühlte.
,,Alles
okay?“, fragte ich.
,,J…ja.“
Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich eine Schlafanzughose die
schnell hinter ihrem Rücken verschwand, während sie ins Bad floh.
Ich grinste. Sie hatte nichts drunter. Das war also der Grund, warum
sie sich nicht ihrer Regenkleidung entledigt hatte. Keine zwei
Minuten später trat sie wieder aus dem Bad. Verlegen standen wir
voreinander.
,,Nun,
ich zeige dir am Besten wo du schlafen kannst…“, sagte sie. Ich
folgte ihr ins Wohnzimmer und half ihr dabei die Couch auszuklappen.
,,Sie
ist nicht sonderlich bequem und vermutlich sogar zu klein, aber…“
,,Nein,
sie ist perfekt. Danke.“, erwiderte ich lächelnd und nahm die
Decke entgegen die sie mir gab. Trotz der heißen Dusche klang die
Kälte des Regens noch in mir nach und die Decke spendete die
ersehnte Wärme. Es dauerte keine zwei Minuten und ich war bereits
tief und fest eingeschlafen.
Am
nächsten Morgen wachte ich von dem Geruch von Kaffee auf. Ich blieb
noch einen Augenblick liegen, noch nicht bereit den Tag zu beginnen,
und starrte an die Decke. Was würde der Tag bringen? Das hatte ich
mich schon lange nicht mehr gefragt. Aber ich hatte auch schon sehr
lange nicht mehr bei einem wildfremden Mädchen übernachtet und
NICHT mit ihr geschlafen. Auch war ich schon lange nicht mehr mit
Kaffee geweckt worden. Seufzend stand ich auf und folgte meiner Nase.
Ihre Wohnung war extrem klein. Ein Kleiderschrank, ein Bett, ein
Fernseher und ein Highboard, darauf bestand das Wohnzimmer. Mochte
sie es so…beengt? Der winzige Flur führte in die Küche, in der
kaum genug Platz war, damit zwei Personen sitzen konnten.
,,Was
magst du essen?“, fragte sie freundlich aber noch sichtbar müde.
,,Frühstück
inklusive? Das ist toll.“, gestand ich. ,,Das habe ich schon sehr
lange nicht mehr getan.“
,,Gefrühstückt?“
,,Nein…oder
doch, ja.“ Nachdem ich die Bedürfnisse der Frauen erfüllt hatte,
wollten sie meistens dass ich ging. Daran wo ich schlief, wo ich aß
und ob es mir gut ging… nein, daran hatten sie nie einen Gedanken
verschwendet. Wozu auch? Sie bekamen ja was sie wollten. Dankbar nahm
ich eine Scheibe Toast und begann sie mit Marmelade zu beschmieren.
,,Ich weiß gar nicht deinen Namen.“, sagte ich lächelnd zu ihr.
,,Weiß gar nicht bei wem ich mich bedanken muss.“
Sie
errötete. ,,Sindy. Aber du brauchst dich nicht zu bedanken.“
Ich
lächelte. ,,Ich bin Alexandre.“
,,Ein
ungewöhnlicher Name. Aber schön.“
Damals
war es ganz und gar kein ungewöhnlicher Name gewesen. Aber das
konnte ich ihr ja schlecht sagen, oder? Plötzlich kam mir in den
Sinn das ich jederzeit durch den Fluch fluchtartig die Wohnung und
sie verlassen könnte. ,,Meine Arbeit… sie kommt ziemlich plötzlich
und ich muss dann sofort los. Und damit meine ich wirklich sofort.
Besser du weißt es nicht das du… na ja…“
Sie
nickte. ,,Ja, okay.“
Eine
Weile aßen wir in einträchtigem Schweigen unseren Toast. Nachdem
ich ihr geholfen hatte das Geschirr wegzuräumen, setzten wir uns
gemeinsam auf ihr Bett. Die einzige Sitzmöglichkeit abgesehen von
der winzigen Küche.
,,Warum
warst du gestern so traurig?“, fragte sie geradeheraus. Ich
lächelte. Ja, ich mochte Leute die schnell auf den Punkt kamen. Da
ich jederzeit wieder fortgehen könnte, war ich ein sehr schneller
Mensch geworden. Der Gedanke, dass mich gleich jemand rufen könnte,
verdarb mir die Laune gewaltig. ,,Mein Job… gefällt mir nicht. Um
genau zu sein hasse ich ihn. Aber… ich kann nicht kündigen.“
Innerlich schüttelte es mich vor unterdrücktem lachen. Job,
kündigen. Was für eine Untertreibung! Aber dennoch stimmte es
irgendwie.
,,Warum
kannst du nicht kündigen?“
Ja,
wie sollte ich ihr erklären das Flüche keine Kündigungsfrist
hatten? Naja, vielleicht genau so. ,,Flüche haben keine
Kündigungsfrist.“ ,sagte ich trocken.
Einen
Moment sah sie mich verdutzt an. Dann begann sie hemmungslos zu
lachen. Ich mochte ihr lachen. So echt und unverfälscht. Sie wollte
nichts von mir außer reden. Eine ungewohnte Erfahrung. Mit ihr zu
reden war, als würden riesige Felsen die vorher auf mir lagen
einfach heruntergenommen und als könnte ich das erste Mal nach
ewiglanger Zeit wieder frei atmen. Ich lächelte sie an.
,,Es
würde zu weit führen es zu erklären. Ich habe den Job schon sehr
lange und…“
,,Ist
okay. Belassen wir es einfach dabei. Hast du schon einmal mit deinem
Chef darüber gesprochen?“
,,Der
ist… Tod.“ Nicht auffindbar würde es eher treffen. Tatsächlich
war Cassandra, seit dem Tag an dem sie den Fluch aussprach nicht mehr
zu finden gewesen. Aber auch dass war schwer zu erklären. Nun schien
sie vollends verwirrt zu sein.
,,Ich
komme aus dem Job nicht raus, da kann man nichts gegen tun. Aber…
ich bin sehr froh, dass ich heute Nacht bei dir gelandet bin. Es war…
ich danke dir.“
,,D…du
hattest dich bereits bedankt. Aber wie gesagt, es waren keine großen
Umstände und ich habe mich sehr über die Gesellschaft gefreut. Was
tust du in deinem Job?“, wechselte sie abrupt das Thema.
Ich
bringe mehr als tausend Frauen jährlich zum Orgasmus.
,,Ich…
werde angefordert und… helfe den Kunden bei… besonderen,
anfallenden Arbeiten.“
,,Sowas
wie eine Ich-AG? Hilfst du Luftballons aufblasen, Tische dekorieren
und Schränke aufbauen?“ ,,Ja, so was in der Art. Blasen musste ich
auch schon mehrmals.“, sagte ich in einem plötzlichen Anfall von
schwarzem Humor.
Sie
erzählte mir, dass sie in einem Tierheim arbeitete und viel Zeit
aufwendete um Rezepte auszuprobieren und anbrennen zu lassen. Wir
redeten gute zwei Stunden lang und sie begann mir immer besser zu
gefallen. In die Haarsträhne, die ihr immer wieder ins Gesicht fiel
und wie sie den Kopf leicht drehte, wenn sie lachte hatte ich mich
schon fast verliebt. Ich Narr. Ich wusste doch, dass ich bald
fortgehen musste. Wer weiß, wer mich als nächstes rufen würde. In
welcher Stadt und Land ich als nächstes seien würde. Das letzte Mal
in London war ich vor rund dreißig Jahren gewesen. Was sagte das
uns? Das es absolut hoffnungslos war. Wahrscheinlich würde ich sie
in ein paar Minuten das letzte Mal sehen und danach nie mehr genug
Zeit haben oder einfach zu weit entfernt sein um sie wieder zu sehen.
Wenn ich dann in dreißig, vierzig oder fünfzig Jahren das nächste
Mal hier wäre, würde sie mich nicht mehr erkennen. Für Menschen
war das eine sehr lange Zeit.
Ich
hatte erwartet, dass ich von jemandem gerufen werden würde noch
bevor wir zu Ende gefrühstückt hatten, doch am frühen Nachmittag
fragte ich sie vorsichtig ob ich nicht besser gehen sollte. Ich war
gerne bei ihr, aber ich wollte ihr auch nicht zur Last fallen oder
auf die Nerven gehen. Schließlich hatte sie mich barmherzig bei sich
aufgenommen. Aber das war ja kein Freifahrtschein bis ins nächste
Jahrhundert an ihr zu kleben. ,,Nein, ich freue mich über
Gesellschaft.“, sagte sie wiederholt und ein weiteres Gefühl
machte sich in mir breit. Sorge. Sie schien mir sehr einsam zu sein.
Und sehr unvorsichtig. Ich hätte ein Verbrecher oder gar Mörder
sein können und sie hatte mich in ihre Wohnung gebracht.
,,Ich
weiß nicht, ob es mir möglich sein wird. Aber falls ja, darf ich
dann nach der Arbeit irgendwann mal wieder vorbeischauen?“ Sie
lächelte matt. ,,Ja.“
Es
dauerte mehrer Stunden, doch irgendwann spürte ich die Fesseln sich
erneut schließen. Ich hatte die Zeit mir ihr sehr genossen. Die
Tatsache, dass sie mich uneigennützig in ihre Wohnung eingeladen
hatte, mir zugehört und mich bewirtet hatte…es hatte mich sehr
berührt. Vermutlich hatte ich deswegen nun, da ich spürte wie sich
mein Körper von selbst erhob, einen Kloß im Hals. Mir war klar,
dass die Chancen sie jemals wieder zu sehen sehr gering waren. Und
das sie mich dann noch erkennen würde, diese Chance tendierte gen
null.
Cassandra
saß in einem bequemen Sessel. Ihre nackten Füße genussvoll im
großen Perserteppich vergraben. Die Augen geschlossen. Wenn sie die
Augen schloss, konnte sie allein mit der Kraft ihrer Gedanken sehen
was ihr ehemaliger Freund Alexandre tat. So hatte sie auch dagesessen
und ihn beobachtet, während er die Fesselspielchen der letzten Frau,
die ihn gerufen hatte, erduldet hatte und danach auf der Bank neben
den Geschäften der Stadt zusammengebrochen war und geweint hatte. Es
hatte sie glücklich gemacht ihn leiden zu sehen. Empfinden tat sie
schon lange nichts mehr für ihn. Doch, das war nicht ganz die
Wahrheit. Hass empfand sie noch. Einen unbändigen Hass , dass er es
gewagt hatte sie zu verlassen. Damals war sie jung gewesen.
Eine
unbedarfte Junghexe von nicht mal fünfhundert Jahren. Doch ihre Wut
war damals schon so gewaltig gewesen und hatte gereicht um einen
Fluch heraufzubeschwören der sein ganzes Leben ruiniert hatte. Noch
heute schloss sie unbändig gerne die Augen und beobachtete wie er
litt, während er mit Frauen schlief die er gar nicht wollte und
ebensolche Dinge tat. Die Frauen konnten seine Gedanken und Gefühle
nicht sehen. Sie wollten es auch vermutlich nicht. Wenn man jemanden
schon nur einmal in seinem ganzen Leben rufen konnte, wollte man doch
kein Gejammer hören sondern unvergessliche Nächte erleben. Aber sie
konnte seine Gedanken hören und seine Gefühle spüren. Wie er
innerlich weinte, schrie und um Gnade flehte. Wie er darum bettelte,
dass er sterben dürfe wie es jeder normale Mensch irgendwann tat und
dadurch irgendwann von seiner Strafe befreit werden würde. Mehr als
einmal hatte er nachts ihren Namen gen Himmel geschrieen und gefleht
das sie den Fluch doch bitte lösen möge. Solche Momente mochte sie
immer besonders. Wenn sie seine Verunsicherung spürte ob sie ihn nun
hören könnte oder nicht. Wenn sie überdeutlich spürte, dass er
alles tun würde um den Fluch zu brechen. Sie spielte schon seit
langem mit dem Gedanken den Fluch noch etwas auszuweiten. Sie war
keine unerfahrene Junghexe mehr und ihre Macht lief inzwischen viel
mehr als diesen Fluch zu. Erschwerend kam hinzu, dass er in letzter
Zeit seinem Leid gegenüber erstaunlich oft unbeteiligt gegenüber
geworden war und eine kleine Verhärtung könnte sicher dazu
beitragen das er erneut chancenlos mit seinem Schicksal rang.
Entspannt schloss sie erneut die Augen, schlürfte ihren heißen
Kakao und begann sich auf Alexandre zu konzentrieren. Sie sah ihn
gemeinsam mit einer dünnen Frau Mitte zwanzig an einem winzigen
Küchentisch sitzen. Und lachen. Wut keimte in ihr auf. Was bildete
sich Alexandre ein? Glaubte er, er dürfte glücklich sein?
Ungestraft lachen und bei ihr sein? Glaubte er, dass sie besser war
als Cassandra? Ein unbedeutender Mensch gegen eine Hexe wie keine
zweite? Dem würde sie zeigen was ein Haken war. Sie würde ihn zu
sich rufen. Nur um ihm zu zeigen, das es noch jemanden gab den er
anflehen konnte. Und dann würde sie dafür sorgen, dass er die Frau
verabscheute.
Ich
spürte wie ich aufstand. ,,Ich muss los.“ ,sagte ich bedauernd.
,,Danke.“, rief ich ihr schon fortgehend über den Rücken zu. Ich
ging die Straße entlang zur U-Bahn, fuhr gut eine dreiviertel Stunde
damit Richtung Süden und stieg kurz vor der Endhaltestelle aus.
Seufzend rannte ich die Straße entlang zu einer Busstation und stieg
dort in den ersten Bus der ankam. Etwa zwanzig Minuten später stieg
ich aus. Den ganzen Weg über hatte ich kaum auf meine Umgebung
geachtet. Wozu auch? Mein Körper würde mich ja eh auf dem
schnellsten Weg zum Ziel bringen, ob ich nun wollte oder nicht. Doch
so uninteressiert ich auch war, die Gebäude um mich herum waren
faszinierend. Riesige, altehrwürdige Herrenhäuser. Ich sah mir die
großen, eisernen Tore und deren Verzierungen in Form von Schnörkeln
und steinernen Figuren an. Ich ging an vielen dieser Häuser vorbei
und spürte wie mein Körper brütend heiß wurde. Was war hier los?
Normalerweise fühlte ich mich zwar elend, weil ich wusste was mich
erwartete, aber ich hatte keine körperlichen Reaktionen in diesem
Ausmaß.
Ich
spürte wie ich weiterging. Schneller. Spürte wie mein Herz
hämmerte, mein Atem raste und ich gepeinigt stöhnte als mein Penis
hochsensibel gegen meine Jeans scheuerte.
,,Oh
bitte.“, stöhnte ich gequält. Ich blieb vor einem dieser Häuser
stehen. Mein Körper war inzwischen viel zu sensibel, als das ich
noch die Kraft gehabt hätte, die wundervollen marmornen Drachen
rechts und links des Eingangs zu bewundern. Meine Knie zitterten, als
sich eine beinah unerträgliche Hitze von meinem Bauch
Millimeterweise abwärts ausbreitete. Ich rang nach Atem während ich
weiterging. Innerlich bettelte ich darum, das die Hitze nicht dort
ankommen würde wo sie eindeutig hinwollte. Ich ging die lange
Auffahrt zum Haus hinauf und klingelte mit fahrigen Fingern. Die Tür
schwang von alleine auf. Mir blieb keine Zeit mich zu wundern. Ich
ging bereits weiter, eine Treppe hinauf. An den Wänden hingen
Picassos, die parallel zum Treppengeländer die Treppe säumten. Als
ich das große, in dunklem Lila gehaltene Schlafzimmer mit dem Kamin
und dem goldenen Kerzenständer vor dem Fenster betrat, sah ich sie.
Cassandra.
,,C…Cassandra!“,
keuchte ich.
Lächelnd
sah sie von ihrem Buch auf. ,,Hallo.“, sagte sie als wäre ich ein
x-beliebiger Besucher.
,,Was…
wieso?“
Sie
lächelte sanft. Doch in den letzten zweitausend Jahren hatte ich
gelernt hinter die Fassaden zu schauen und ihr lächeln war alles
andere als echt. Plötzlich spürte ich das ich
mich
wieder frei bewegen konnte. ,,Cassandra, bitte befrei mich von dem
Fluch. Es hätte nie mit uns klappen können, nicht auf Dauer und das
weißt du sicher auch.“
Plötzlich
merkte ich, dass ich nichts mehr am Körper trug. Wo war meine
Kleidung hin?
,,Ich
gebe dir Recht.“, sagte sie zuckersüß. Ich spürte wie sich die
Hitze erneut in meinem Bauch sammelte und sich langsam nach unten hin
ausbreitete. Mein Penis pochte als wäre er kurz vor der Ejakulation.
Ich zitterte wie ein Schlot.
,,C…c…Cassandra.
Bitte!“, stöhnte ich gequält. Meine Beine schienen mich nicht
mehr tragen zu wollen und mich auf das zu konzentrieren was ich
wollte beziehungsweise was ich nicht wollte war in diesem Moment
unsagbar schwer.
,,Was
den?“, fragte sie unschuldig.
,,H…hör
auf.“
,,Du
gibst mir Befehle? Mir???“
Noch
bevor ich meinen eigenen Satz beendet hatte, wusste ich bereits, dass
ich einen großen Fehler gemacht hatte. Ich spürte wie die Hitze an
ihrem Ziel ankam und ich wie unter Strom zu zucken begann. Die
Erlösung? Nein. Der Druck baute sich weiter auf. Ich hielt es nur
einfach nicht mehr aus, deswegen zuckte ich. Ich weiß noch, dass ich
eine Menge zusammenhanglose Dinge von mir gab, wimmerte und flehte.
Ich weiß auch noch wie ich unter Zwang meine Beine spreizte und
etwas ziemlich dickes in meinen Hintern eindrang was mir einen
hilflosen Schmerzensschrei entlockte. Irgendwann war es vorbei und
ich lag völlig erschöpft und vor Schmerz und Erregung bis zum
äußersten Verkrampft vor ihren Füßen.
,,Na,
das ging mir aber zu schnell.“, murrte sie und ich spürte wie ich
aufstand und mich auf ihr Bett legte. ,,Cassandra, bitte hör auf.
Erbarme dich, es ist schon so lange her.“
,,Niemand,
absolut niemand verlässt mich. Das wirst du heute Nacht lernen.“
Ihre Worte kamen so leise hervor das ich meine Ohren richtig spitzen
musste um sie zu verstehen. Meine Arme und Beine langen kurz vor den
jeweiligen Ecken des Bettes. Sie stand von ihrem Sessel auf und kam
auf das Bett zu.
,,Mehr
als entschuldigen kann ich mich nicht. Sei doch bitte vernünftig.“
,,Das
sehe ich anders.“, sagte sie und zog eine kleine Schale mit einer
grünlichen Paste aus ihrem Nachttisch.
,,Was
soll ich tun Cassandra? Bitte, ich mache alles. Alles.“, das letzte
Wort kam schluchzend hervor während ich spürte wie sie mit der
Paste meinen Penis eincremte und dabei gleichzeitig mit der anderen
meine Hoden knetete.
,,Alles?“
Ja,
alles. Alles. ALLES! ,,Ja, alles. Oh Gott!“, schrie ich und begann
mich unter ihren Händen zu winden. Obwohl ich wusste, dass ich nicht
den ersehnten Orgasmus nicht bekommen und mit jeder Bewegung meine
Situation sogar noch verschlimmern würde, begann ich mich soweit es
mir möglich war an der Hand, die sie nun ganz sanft auf meinen Penis
gelegt hatte, zu reiben. Innerlich bettelte ich darum, dass sie ihn
umfassen und etwas Druck ausüben würde. Zufrieden nickte sie: ,,Da
bin ich mir sicher.“ Zärtlich strich sie über meine Eichel.
Wieder und wieder. Meine Lungen brannten während ich verzweifelt
versuchte einen halbwegs klaren Kopf zu behalten. Sie machte immer
weiter. Streichelte, liebkoste, biss, kratzte und presste meinen
Körper. Welche Qualen ich in dieser Sekunde durchstehen musste kann
sich kein menschliches Lebewesen vorstellen. Wenn ein Mensch beim Sex
über die Grenze des erträglichen Tritt kommt es zum Orgasmus. Doch
wenn man ihn nicht bekommen kann? Dann baut es sich immer und immer
weiter auf bis ins Grenzenlose. Ich konnte nicht mehr klar denken,
als ich mich plötzlich wieder frei bewegen konnte. Entgegen aller
Vernunft griff ich nach meinem Penis, umschloss ihn mit aller Kraft
die in mir war und begann ihn weinend zu reiben. Bitte, bitte
ich ertrag es nicht. Aufhören. Mir waren weder die Tränen
die vor Verzweifelung über meine Wangen liefen noch Cassandra
bewusst, als ich immer schneller rieb. Irgendwann verließen mich
auch meine letzten Kräfte und ich ließ mich wehrlos in die Kissen
sinken.
,,Wie
lange musste ich darauf warten diese Worte von dir zu hören? Sehr
lange. Aber egal um was ich dich bitte und egal was du auch tust, du
tust es nicht freiwillig. Du tust es nur weil du denkst dass es deine
letzte Chance ist.“
Ich
schwieg. Ich hatte nicht mehr die Kraft zu kämpfen.
,,Willst
du es nicht zumindest leugnen?“
,,Du
kennst meine Gedanken und Gefühle. Beides Dinge die ich nicht
beeinflussen kann. Ich liebe dich nicht. Was würde mir also eine
Lüge bringen, wenn du es sowieso besser weißt?“
,,Du…du!“
,,Ich
weiß nicht was daran so schlimm ist. Du hast doch selbst gesagt,
dass du mich auch nicht mehr liebst. Was hast du?“
Sie
schrie mich mindestens eine halbe Stunde lang an. Während dessen
konnte ich mich nicht bewegen, nicht sprechen, ja nicht mal verstehen
was sie sagte. Nur an ihrem Gesichtsausdruck konnte ich erkennen,
dass ich sie sehr verärgert hatte. Ich hatte schon fast die
Hoffnung, sie jemals wieder zu verstehen, aufgegeben, als sie
plötzlich mit ruhiger, hasserfüllter Stimme sagte: ,,Du liebst mich
nicht? Wen könntest du den lieben? Dieses Mädchen? Sindy?“ Ich
wurde bleich. Wenn Cassandra dachte, das Sindy sein wunder Punkt war,
war sie in Gefahr. Egal was Cassandra sich ausdachte. Ich wollte
leugnen, wollte sagen, dass mir Sindys Fürsorge, ihre Warmherzigkeit
und Offenheit nicht zu Herzen gegangen waren. Das ich schon kaum noch
wusste, wer sie war. Aber kein einziger Ton kam über meine Lippen
und mein Gesicht schien mich verraten zu haben.
,,Ich
beweise dir, dass sie nicht mehr ist als ein Mensch wie jeder andere.
Das sie nur an sich denkt und nichts anderes für sie zählt.“ Das
war das letzte was ich hörte, bevor alles um mich herum schwarz
wurde.
Als
ich wieder zu mir kam, lag ich auf einem Fußgängerweg. Nach dem
Stand der Sonne zu urteilen, war es früher Nachmittag. Mein Kopf
hämmerte wie verrückt und mir wurde schnell klar, was der Grund
war. Eine Kundin. Kaum hatte ich den Gedanken zu Ende gedacht, als
ich auch schon aufstand und mich auf den Weg machte. Zwanzig Minuten
im Bus, eine Straße entlang und dann noch etwa vierzig Minuten mit
der Bahn. Am Anfang hatte ich mir noch nichts gedacht, doch umso
länger ich unterwegs war, umso mehr kam mir von dem Gespräch mit
Cassandra wieder in den Sinn und als ich aus dem Bus ausstieg und sah
das ich in Sindys Straße war, war ich kaum verwundert. Meine Beine
trugen mich an denselben Geschäften wie vergangene Nacht vorbei und
ich klingelte. Es dauerte einen Moment, dann hörte ich das summen
und öffnete die Treppenhaustür. Ich lief die wenigen Stufen bis zur
ersten Etage hinauf und blieb keine zwei Meter vor Sindy stehen.
,,Hallo.“,
sagte ich verlegen.
,,Hi,
komm ruhig rein.“, antwortete sie prompt gut gelaunt. Ich war
ziemlich verblüfft, dass ich mit ihr sprach anstatt direkt zu Sache
zu kommen. Aber auch froh. Vielleicht würde sie so erbarmen haben
und mich nicht als perversen abstempeln wenn es dann schließlich zur
Sache ging. Und es würde losgehen, davon war ich überzeugt.
,,Ich
habe dich vermisst. Ich liebe dich.“ Schockiert von meinen eigenen
Worten, wäre ich am liebsten sofort fortgerannt. Stattdessen ging
ich auf sie zu und küsste sie zärtlich. Verwundert sah sie mich mit
großen Augen an. Dann erwiderte sie meinen Kuss. Bitte –
nein, dachte ich unter ungeweinten Tränen. Cassandra
erbarme dich. Nimm mir nicht diesen kleinen Zufluchtsort. Ich spürte,
wie ich ihren Hintern umfasste und sie ins Wohnzimmer aufs Bett
schob. Hörte wie sie leise seufzte, während ich ihr Hose und Hemd
auszog und den Rest regelrecht vom Körper riss. Dann schob ich meine
Hand zwischen ihre Beine und rieb ihre Klitoris bis sie erstickt
aufschrie und hilflos in meinen Armen zuckte. Es hatte keine zwei
Minuten gedauert bis sie zum Orgasmus gekommen war. Ohne mich.
Niedergeschlagen ließ ich den Kopf hängen. ,,Alexandre. Alles in
Ordnung?“
,,Ja,
nein, ich… sollte gehen.“
,,Wieso?“,
dieses eine Wort verwirrte mich so sehr wie noch nie etwas zuvor.
Bisher hatte noch keine Frau gewollt, dass ich hinterher blieb. Nicht
eine einzige. Sie hatten mich alle wissentlich gerufen und nach dem
Orgasmus war es das natürlichste der Welt gewesen, das ich ging.
,,Hast du inzwischen ein Hotel?“ Musst du die Stadt verlassen? Wenn
nicht bleib doch ruhig. Wir tun einfach so als wäre nichts
geschehen, wenn du magst.“ Ich wurde feuerrot. Auch nach dem Sex
wollte sie mich bei sich haben? Oh man.
,,Das
war gestern… ungewöhnlich. Tut mir Leid. Wir wollten die Sache ja
ignorieren, aber kannst du mir bitte wenigstens sagen warum du
gestern so… na ja.“, verlegen zuckte sie mit den Schultern. Ich
überlegte. Sollte ich es ihr erzählen? Vermutlich würde sie mich
für verrückt erklären, wenn ich ihr die Wahrheit gestand. Aber
nach der Aktion gestern hatte sie die Wahrheit verdient. Und es war
ja nicht so als wäre es das bestgehütete Geheimnis der Stadt.
Danach zu urteilen wie oft ich gerufen wurde, wussten genug Frauen
über mich bescheid.
,,Ich
bin so was wie ein Jinny. Ich bin mehr als zweitausend Jahre alt.
Wenn Frauen nachts dreimal meinen Namen sagen habe ich keine andere
Wahl als umgehend zu ihnen zu gehen. Ich…“, meine Stimme stockte.
Ich wusste es. Ich würde sie verlieren wenn ich es aussprach. Was
auch sonst. ,,Und du befriedigst sie nach allen Regeln der Kunst?“,
fragte sie unsicher. ,,Woher weißt du das?“ Sie erblich. ,,Du
sagtest eben die Frauen würden dich nachts rufen. Das ist ja schon
ziemlich… na ja. Und dann meintest du mal, dass du auch schon
blasen musstest bei der Arbeit, aber… es war eigentlich nur eine
spaßige Aussage.“ Ich wurde feuerrot. ,,Das…“ Sie lächelte,
doch als die merkte wie beschämt ich war hörte sie sofort damit
auf. ,,Das gestern… tut mir Leid.“ Bei meinen Worten wurde sie
blass. ,,Du… wolltest das gestern gar nicht. Du… musstest… es
tun. Und deine Worte…“ Ich sah den Schmerz überdeutlich in ihren
schönen grauen Augen. Am liebsten hätte ich gelogen um sie nicht zu
kränken, aber die Situation war schon ohne Lügengebilde kompliziert
genug. ,,Ja…entschuldige. Wenn es dir jetzt doch lieber ist das
ich… gehe…“,,Entschuldige, du bist mir gerade mindestens drei
Schritte voraus. Ein Jinny? Ein echter Jinny?“, ich schluckte.
,,Kannst du das beweisen?“ Ich wurde feuerrot. Aber mir hätte klar
sein müssen, dass man so eine Information nicht einfach so
schluckte. Ich stöhnte gequält. ,,Wünsch dir etwas, aber sprich es
nicht aus.“ Verwirrt sah sie mich an, überlegte einen Moment und
schon spürte ich wie ich wehrlos dazu gezwungen war ins Badezimmer
zu gehen und… eine Bodycreme zu holen. Ich hatte schon damit
gerechnet, dass ich sie damit eincremen soll aber stattdessen drückte
ich sie ihr nur brav in die Hand. Sie, inzwischen blass geworden, sah
mich wie ein Fisch mit offenem Mund an. Dann sagte sie bemüht ruhig:
,,Du musstest mit mir schlafen obwohl du gar nicht wolltest. Nicht
ich. Es ist zwar… ganz sicher kein Kompliment, aber ich sollte eher
dich fragen ob dir meine Gegenwart nun unangenehm ist. Es tut mir
Leid, dass ich nicht gemerkt habe, dass du dazu gezwungen warst.“
Nach einigen Stunden hatte sich die Situation etwas aufgelockert und
ich erklärte ihr die Regeln und alles drum herum. ,,Ich kann von
jeder Person nur einmal im Leben gerufen werden, bei derjenigen
bleibe ich dann maximal eine Woche. Ich lese ihr jeden Wunsch von den
Augen ab. Wenn sie einen Wunsch hat, spüre ich ihn und handele genau
so wie sie es sich wünscht. Während der Zeit bewegt sich mein
Körper automatisch. Ich kann es nicht verhindern.“ ,,Das… ist ja
schlimm. Du tust immer das was die Frauen wollen? Alles?“
Misstrauisch nickte ich. ,,Ja, wieso?“ ,,Hm…fand das nie eine
doof?“ Ich sah sie an, als wären ihr plötzlich zwei neue Köpfe
gewachsen. ,,Wieso denkst du es könnte einer nicht gefallen wenn man
ihr jeden noch so geheimen Wunsch von den Augen abliest?“ ,,Weil
es… auf Dauer doch langweilig sein muss. Nie etwas neues,
spannendes, mit dem man gar nicht rechnet. Nie ein wenig unsanft
angefasst werden oder einfach dem Partner die Führung überlassen…
nie geben können.“ Ich sah sie verunsichert an. Vermutlich hatte
sie Recht. Aber der Gedanke, sie könnte denken er wäre ne Niete im
Bett ließ in ihm das Verlangen Hochkochen ihr das Gegenteil zu
beweisen. ,,Ich…Soll ich dir zeigen wie schön es mit mir ist?“
,,Nein… ich will nicht, dass du es wieder gegen deinen Willen tust.
Nicht solange der Fluch nicht gebrochen ist.“,,…was???“ ,,Ich
helfe dir ihn zu brechen. Wir finden einen Weg.“
Ich
war strickt dagegen, dass sie mir helfen wollte den Fluch zu brechen.
Doch egal was ich auch sagte oder tat, sie wich nicht von meiner
Seite. Zugegebenermaßen, es war ziemlich praktisch sie an meiner
Seite zu haben. Ich hatte nie die Muse gehabt nach Cassandra zu
suchen, da ständig Frauen dazwischenkamen und ich so nie das tun
konnte was ich wollte. Außerdem musste ich mich nicht darum ein Dach
über dem Kopf zu haben, den während ich meinen Job tat suchte sie
ein Hotel, bezog es für uns, setzte ihre Recherchen fort und
tröstete mich wenn ich zu ihr zurückkehrte. Zugegebenermaßen war
Trost seitdem sie mich so eifrig unterstützte nicht mehr allzu oft
nötig.
,,Nein
und noch mal nein. Nein!“, schrie ich sie an. ,,Du wirst nicht zu
Cassandra gehen. Sie hat Zauberkräfte. Wer weiß was sie dir antut.
Du bist ein Mensch, vergiss das nicht. Ich werde nicht zulassen das
du dieses Risiko auf dich nimmst.“ ,,Es ist die einzige Spur die
wir haben. Verflucht noch mal, wie soll ich dir den sonst helfen?“
,,Nicht so, ich verbiete es dir!“ Damit hatte ich einen wunden
Punkt getroffen und ich wusste es sofort. ,,Und was willst du dagegen
tun? Spätestens wenn sich der Fluch wieder bemerkbar macht und du
deswegen fort musst, kann ich auch hinaus.“ Da hatte sie nicht
Unrecht. Verdammt. ,,Sindy… ich will dich nicht verlieren.
Verstehst du das nicht? Jemanden zu haben der mir beistehst ist etwas
völlig neues für mich. Und ich will das nicht verlieren.“ Etwas
besänftigt sagte sie: ,,Hör mal. Ich weiß, dass du Angst hast. Die
habe ich auch. Aber du wirst vermutlich nächstes Mal noch weiter
fort müssen und nicht genügend Zeit haben zurückzukommen bevor der
Fluch dich wieder fortreißt. Ich werde vorsichtig sein. Das
verspreche ich dir. Okay?“ ,,Nein! Aber du tust ja doch was du
willst.“ Für einen Augenblick konnte ich nicht mehr klar denken.
Der Gedanke sie verlieren zu können und nichts dagegen tun zu
können, war mehr als ich ertragen konnte. Ich riss sie mit aller
Kraft in meine Arme und drückte ihren Körper an meinen. ,,Wir
kennen uns kaum vier Tage, aber ich denke du weißt was ich sagen
will. Wenn dir etwas passiert verzeihe ich mir das nie.“ Sie
lächelte. ,,Ich weiß.“
Ich
ging zu dem Haus von Cassandra und klingelte. Den Weg hatte Alexandre
mir widerwillig, aber genau, beschrieben. Nun stand ich vor ihrer Tür
und mein Herz klopfte wie ein Presslufthammer. Es war gut möglich,
dass Alexandres Zukunft von meinen nächsten Worten und den nächsten
Minuten abhingen. Tapfer atmete ich tief ein und betrat das Haus. Ich
wurde blass. Kaum hatte ich das Haus betreten konnte ich mich nicht
mehr bewegen. Ich stand geschlagene zehn Minuten da und zitterte und
wimmerte vor Angst. Alexandre hatte mir zwar gesagt, dass er nur das
tun konnte was die jeweiligen Frauen wollten, aber das das so
wörtlich zu nehmen war, schockierte mich. Plötzlich setzten sich
meine Beine in Bewegung. Gingen durch einen großen Flur mit
tiefroten Wänden. Der Flur endete in einer modernen Küche mit
gefliestem Boden, einem Elektroherd mit Edelstahlplatte und den
modernsten Geräten. Erst auf den zweiten Blick fiel mir auf, dass
nicht wirklich alle Zutaten alltäglich waren. Was genau konnte ich
aus der Entfernung nicht sagen, mal davon abgesehen das es mir zu
grausig war genauer hinzusehen. ,,Du bist vermutlich wegen Alexandre
hier und willst das ich seinen Fluch auflöse?“ ,,Ja, das
will ich.“ Ich versuchte mehr zu sagen, wollte an ihre
Menschlichkeit und ihr Ehrgefühl appellieren, doch kein Wort kam
über meine Lippen. ,,Warum sollte ich den Fluch lösen? Was bietest
du mir dafür? Schmerzen?“ Sie ging zum Herd und schaltete ihn an.
Bevor ich merkte was los war, legte ich bereits meine Hand auf die
immer heißer werdende Platte. Ich konnte nichts sagen, mich nicht
bewegen. Nach etwa einer halben Minute war die Platte so heiß, dass
ich am liebsten Ohnmächtig geworden wäre. Meine Hand brannte wie
Feuer und innerlich schrie ich mir die Seele aus dem Leib. Endlich
schaltete sie den Herd aus und ich konnte meine Hand fortziehen.
,,Oder gibst du mir dafür absoluten Gehorsam?““ Ich ging zu
einem Küchenschrank und nahm ein Glas mit einer großen, lebenden
Spinne heraus. Ich spürte mein rasendes Herz. Ich hatte eine
Spinnenphobie. Ohnmächtig vor Angst spürte ich, wie ich wie ich den
Deckel abschraubte und sie herausnahm. Ich steckte sie mir in den
Mund und aß sie bevor ich den Deckel wieder zuschraubte und ihn
zurückstellte. Ich spürte, dass ich mich wieder frei bewegen konnte
und brach zitternd auf dem Boden zusammen. Die verbrannte Hand
mit meiner anderen schützend und mich haltlos übergebend.
,,Du siehst, ich kann mir von dir nehmen was ich will. Und dennoch
brauche ich dir keine Gegenleistung dafür zu geben. Was denkst du,
kannst du, ein jämmerlicher Mensch, mir, einer fast dreitausend
Jahre alten Hexe, bieten?“ Mir wurde schwarz vor Augen.
,,Sindy,
Sindy!“ Alles um mich herum war dunkel. Nur sehr langsam drang die
Stimme in mein Bewusstsein vor. Es war Alexandre. Er mich sanft im
Arm. ,,Was ist passiert? Verflucht nochmal sag was!“ Kaum war ich
wieder wach, wand ich mich mit letzter Kraft aus seiner Umarmung,
umklammerte weinend meine Hand und erbrach den Rest der Spinne. Erst
nach wenigen Minuten nahm ich wahr, dass ich splitterfasernackt auf
den kalten Fliesen der Küche, in meiner Wohnung, lag. Immer wieder
wenn ich an die Spinne dachte begann ich zitternd zu würgen und mich
zu übergeben. ,,Steh auf.“, sagte er leise. Vorsichtig aber
dennoch mit unglaublicher Kraft zog er mich auf die Beine und
wickelte mich in eine dicke Decke. Kurz bevor ich mich erneut
übergeben musste hielt ich einen Eimer in der Hand und wurde fest
auf meine Couch gedrückt. Während ich mich weiter übergab, cremte
Alexandre zärtlich meine verbrannte Handfläche ein. ,,Ich hätte
niemals zulassen dürfen, dass du dorthin gehst. Es war doch klar,
dass es nicht klappt. Was sollte ein Mensch schon gegen Cassandra
ausrichten können?! Ich bin so dumm…“ Ich wollte ihm
widersprechen, aber ich war zu schwach um etwas anderes zu tun außer
völlig entkräftigt dazusitzen und gelegentlich zu würgen. ,,Was
tust du?“, fragte ich schwach als ich bemerkte, dass Alexandre sich
anzog. Ohne mich anzusehen sagte er: ,,Ich muss zu ihr. Zu
Cassandra.“ Blass nickte ich: ,,Gib mir fünf Minuten.“ ,,Nein,
du bleibst hier.“ ,,Nein.“ Sagte ich mit schon kräftigerer
Stimme. Wütend drückte er mich an die Wand. ,,Bei Cassandra bin ich
genauso hilflos wie du. Ich kann dich nicht schützen. Willst du noch
so einen Snack?“ Das bisschen Farbe was seit dem Ausflug
zurückgekehrt war, verschwand bei seinen Worten wieder. ,,Ich…
lasse dich nicht alleine gehen.“ Traurig schüttelte er den Kopf
und nickte dann. ,,Okay:“
Während
des Weges zu ihr hielten wir uns gemeinsam an der Hand. Ich konnte
nicht ohne zu lügen sagen, dass ich keine Angst hatte, genauso wenig
wie sie. Also sagten wir es auch nicht. Und versuchten uns einfach
mit der Anwesenheit des anderen zu beruhigen. Ich war ziemlich
verwirrt, dass keine Frauen mehr nach mir riefen. Vielleicht wollte
Cassandra sehen was wir tun und hatte es deswegen so eingefädelt,
dass ich mich im Moment frei bewegen konnte. Sicher wusste ich das
natürlich nicht, aber es scherte mich auch nicht. Ich war einfach
nur froh, dass ich Sindy an meiner Seite hatte und wir gemeinsam
diesen Kampf kämpften. War einfach nur froh nicht alleine zu sein.
Vor Cassandras Haus blieben wir stehen. Ich spürte das zittern von
Sindys Hand, von ihrem ganzen Körper, und wusste was es sie für
Kraft und Mut kosten musste hierher zurückzukehren. Sanft beugte ich
mich zu ihr hinunter und küsste sie zärtlich. Sie rückte ein Stück
von mir ab. ,,Machst du das… freiwillig?“ Ich lachte leise.
,,Ja.“
Nun
lachte auch sie und zog meinen Kopf erneut zu einem sanften Kuss zu
sich hinunter. Der angenehme Teil war nun vorbei und das wussten wir
beide. Wortlos klingelte ich. Keiner öffnete. Nach weiteren zehn
Minuten öffnete ich die Tür einfach selbst. Sprachlos blickte Sindy
mich an. ,,Wie…hast du…?“ Ich lachte. ,,Naja, wenn man Frauen
ihre geheimsten Wünsche erfüllt, muss man doch irgendwie hinein,
oder? Ich habe noch andere Fähigkeiten.“ Doch bevor sie näher
nachfragen konnte, betraten wir bereits das Haus und sahen uns um.
,,Irgendetwas ist merkwürdig.“ ,flüsterte Sindy. Wir gingen so
leise wie möglich an ihrer Couch entlang. Sindy wich blass ein paar
Meter zurück doch ich hatte sofort begriffen was falsch war. ,,Sie
ist tot.“, sagte ich tonlos. ,,A…aber sie…“ Obwohl ich nicht
glaubte mich in dem Fall zu irren, tastete ich nach ihrem Puls. Nicht
vorhanden. Ein Brief lag neben ihr auf dem Couchtisch. Von
Cassandra für Alexandre stand in Schönschrift drauf. Ich
öffnete ihn und las:
Lieber
Alexandre,
wenn
du das hier liest werde ich tot vor dir liegen.
Ich
bin fest davon ausgegangen dass du, wenn ich dich nur lange genug
quälen würde, anfangen würdest mich zu lieben – bis zu jenem Tag
an dem ich dich mit dieser Ziege am Esstisch sitzen und lachen sah.
Deine Liebe kann ich nicht erzwingen, aber dein Leben kann ich
zerstören.
Und
genau das werde ich tun, indem ich sterbe. Mit mir ist die letzte
Person von diesem Planeten verschwunden, die fähig wäre deinen
Fluch zu brechen.
Lebe
für immer und lebe ohne Hoffnung.
Cassandra.
Alexandres
Gesicht hatte alle Farbe verloren und am ganzen Leib zitternd sank er
auf einen Sessel gegenüber der Couch. Schnell nahm ich den Brief
selbst in die Hand und las. Zum Schluss zog ich ihn sanft an meine
Brust. ,,Wir geben nicht auf! Das verspreche ich dir. Alles wird gut.
Was ist den eine Geschichte ohne Happy End?“ Er antwortete nicht,
schmiegte sich nur zitternd an mich und begann leise zu weinen.
Wir
gingen wieder nach Hause. Zu Ihr. Keiner von uns sagte ein Wort. Sie
fragte mich nur kurz ob ich es freiwillig tat und als ich leise
,,Ja“, antwortete krochen wir gemeinsam in ihr Bett und begannen
uns zärtlich zu streicheln, zu küssen, zu lieben…
Danach
zog ich sie sanft in meine Arme und streichelte sie weiter. Plötzlich
begann sie zu lachen und sich zu winden. Verwirrt löste ich mich von
ihr und sah sie verunsichert an. ,,Alles okay?“ ,,Ja.“, keuchte
sie. ,,Du hast mich nur gekitzelt.“ ,,Das kann nicht sein.“
,,Hm…?“, gähnte sie. ,,Ich kann dich nicht gekitzelt haben.
Selbst wenn ich mit jemand freiwillig schlafe spüre ich… ganz
genau was diejenige will. Es…es ist weg. Es ist weg!“ Langsam
erwachte Sindy aus ihrem Halbschlaf und sah mich müde an. ,,Was ist
den?“ Ich drehte sie auf den Rücken und blickte ihr fest in die
Augen. ,,Sindy, was hast du gedacht?“ Nun schien ich sie völlig
verwirrt zu haben. Aber ich konnte mich nicht beruhigen. Vor
Aufregung zitternd fragte ich noch mal: ,,Was hast du gedacht während
wir Sex hatten? Bitte, versuch dich zu erinnern!“
,,Hm…ich
glaub ich hab gedacht… wie schön deine Geschichtszüge im dunkeln
sind.“, sagte sie unfähig mich dabei anzusehen. Ich lächelte.
,,Danke. Aber… bestimmt noch mehr. Oder???“ ,,Naja, ich fand es
schade, dass du immer nur dass tun kannst was ich will und mir
nie sagen und tun kannst was du möchtest. Ich dachte, dass ich den
Fluch brechen will damit es irgendwann anders ist. Und… ich…
dachte das ich dich liebe.“
Mir
wurde warm ums Herz, als ich ihre zittrige Stimme hörte. Die Arme
hatte die letzten Worte kaum über die Lippen bekommen. ,,Du hast
meinen Fluch gebrochen!“ ,,Was?“ ,,Dadurch das du dir gewünscht
hast, dass ich tun kann was ich will, ist genau das passiert. Ich
erzählte dir doch, dass während des Sex immer das passiert was die
jeweilige Frau will.“ ,,Warum hast du mir das nicht früher gesagt?
Wir hätten uns das alles ersparen können!“ ,,Ich wusste es nicht.
Ich dachte das betrifft nur Dinge, die ich selbst möglich machen
kann. Aber selbst wenn, ein Mensch kann nie steuern was er sich von
Herzen wünscht und was nicht. Und durch das Gefühl es sich wünschen
zu müssen, wäre es vielleicht auch gar nicht passiert. Du hast mich
gerettet. Übrigens: Ich liebe dich auch!“ Mit diesen Worten zog er
mich fest an sich und küsste mich bis ich nach Atem rang.
,,Was
passiert nun mit dir, wo der Fluch gebrochen ist?“ ,,Ich kann tun
und lassen was ich will. Ich bin nun, endlich wieder, ein Mensch. Mit
einer menschlichen Lebensspanne, menschlichen Wünschen und
Bedürfnissen und einer unvergleichlichen Frau an meiner Seite!“
(c)
Nadine Markowitz
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Sag mir bitte was du denkst!